Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Preußen. 149 
gegen die Krone und das dringende Verlangen des Volkes die Pflicht auf, 
Ew. Majestät unsere Ueberzeugung über die gegenwärtige Lage 
des Landes ebenso mit loyalem Freimuth wie in tiefster Ehrfurcht dar- 
zulegen. Vor Allem fühlen wir uns gedrungen, auszusprechen, daß inmitten 
der Bewegung der letzten Monate die Ehrfurcht und die Treue gegen die 
Monarchie als unerschütterliche Grundlage aller Bestrebungen des Volkes 
feststeht, und daß in der Tiefe und Wärme dieses Gefühls keine Klasse der 
Bevölkerung, keine Provinz, keine der großen politischen Parteien hinter der 
andern zurückbleibt. Das preußische Volk weiß sich Eins mit seinem Kö- 
nige, es will sich Eins mit ihm wissen für alle Zeit.   
„Nachdem die Militärvorlagen und eine gewisse Unsicherheit über die künf- 
tige Richtung der preußischen Politik die Gemüther lange beschäftigt hatten, 
erfolgte die Auflösung des Hauses der Abgeordneten und die Umgestaltung 
des Ministeriums unter Umständen, welche das Land über die sachlichen 
Gründe der Krisis unbelehrt ließen; es folgten. die Wahlerlasse des neuen 
Ministeriums und anderer Behörden, wodurch nicht nur den Beamten die 
freie Betheiligung an der Wahlbewegung verkürzt und an manchen Stellen 
auf das Wahlrecht der übrigen Staatsbürger ein nicht gesetzlicher Druck ge- 
übt, sondern auch der geheiligte Name Ew. Majestät in den Streit der Par- 
teien hineingezogen und ein nicht verfassungsmäßiger Gegensatz zwischen 
Königthum und Parlament aufgestellt wurde. Die mehrfach gemachte Unter- 
stellung, als ob ein großer Theil der Volksvertretung und mit ihr der preu- 
ßischen Wähler sich feindlicher Eingriffe in die Rechte der Krone schuldig 
machen könnte, verkennt den tief monarchischen Grundzug der Nation, in 
welchem das Königthum seine starken Wurzeln treibt; sie widerstrebt dem 
Rechts= und Wahrheitsgefühle des Volkes, welches nicht anarchischer Um- 
sturzgelüste verdächtig gemacht zu werden verdient. Ew. k. Maj. bitten wir 
unterthänigst, keinen Widerspruch finden zu wollen zwischen der begeisterten 
Liebe, welche das ganze Land Ew. Majestät jederzeit entgegengetragen hat, 
und zwischen einem Ergebniß der Wahlen, welches unzweifelhaft gegen ein- 
zelne Anschauungen und Maßregeln der königlichen Staatsregierung ge- 
richtet war. 
„Es besteht keine gefahrdrohende Aufregung der Gemüther. Das preu- 
ßische Volk hat sich nicht verändert. Es vereinigt mit der alten Hingebung 
an den Thron eine feste und besonnene Anhänglichkeit an sein verfassungs- 
mäßiges Recht. Es ersehnt im Innern den Erlaß der zum Ausbau un- 
serer Verfassung, zur Begründung einer selbständigen Gemeinde= und Kreis- 
Verwaltung und zur höheren Entwickelung der Volkskraft nothwendigen Ge- 
setze, die Zurückführung der Gesammtsteuerlast auf ein der Steuerkraft ent- 
sprechendes Maaß, die Sicherung des Staats und der Schule gegen kirch- 
liche Uebergriffe, die verfassungsmäßige Beseitigung des Widerstandes, wel- 
chen bisher ein Faktor der Gesetzgebung diesem Verlangen entgegengestellt 
hat. Es ersehnt nach Außen eine kräftige und Vorwärtsschreitende Politik, 
welche Ew. Majestät erhebende Erklärung vom 9. November 1858: „Die 
Welt muß wissen, daß Preußen überall bereit ist das Recht 
zu schützen“, in vollem Umfange verwirklicht; es begehrt also in Wieder- 
holung seiner früher ausgesprochenen Ueberzeugung, daß mit allen Mitteln 
auf die Herstellung des verfassungsmäßigen Rechtszustandes in Kurhessen, 
insbesondere auf eine sofortige Berufung der hessischen Volksvertretung auf 
Grund der Verfassung vom 5. Januar 1831, der in den Jahren 1848 und 
1849 dazu gegebenen Erläuterungen und daran vorgenommenen Abände- 
rungen, und des Wahlgesetzes vom 5. April 1849 hingewirkt — daß damit 
unser eigener Rechtszustand gesichert und die Ehre und die Interessen Preu- 
ßens als europäischer Großmacht gewahrt werden. 
Weit entfernt  in eine Prärogative der Krone einzugrelfen, glauben wir 
diese Krone nur zu stützen und zu stärken, indem wir Ew.. Majestät in
	        
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