Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

148 Preußen. 
19. Dec. Das Herrenhaus genehmigt mit großer Mehrheit die ihm vom 
Grafen Arnim-Boytzenburg vorgeschlagene Adresse an den König, 
nachdem ein Amendement der liberalen Minorität, das die Los- 
sagung vom Londoner Protokoll forderte, keine ausreichende Unter- 
stützung gefunden hat: 
         „ . . Die Successionsfrage (in Schleswig-Holstein) wird vom deutschen 
Bunde zur Zeit als eine offene betrachtet. In der Verfassungsfrage aber 
schreitet der Bund durch seinen Beschluß vom 7. Dec. d. J., dem Vertrags- 
bruch Dänemarks gegenüber, nach zehnjährigen Verhandlungen zur That. 
Diese Maßregel soll und darf der Frage: wer nunmehr der rechtmäßige 
Herrscher der Herzogthümer sei? in keiner Weise präjudiziren. Niemand 
aber kann bestreiten, daß, wenn es sich um Lösung jener Frage, und, 
falls Preußens Interesse dies rechtfertigt, um Durchführung derselben mit der 
Gewalt der Waffen handelt, Preußens Stellung günstiger sei, wenn Holstein 
von deutschen Truppen, als wenn es von dänischen Truppen besetzt ist. 
Das Herrenhaus geht von dem Grundsatze aus, daß, so wenig der Landes- 
vertretung das Recht bestritten werden kann, auch in den Fragen der äußeren 
Politik ihre Wünsche und Ansichten der Krone gegenüber auszusprechen, 
dies nicht dahin führen darf, diese Wünsche und Ansichten höher zu stellen 
als die Pflicht: der Krone die verfassungsmäßige Mitwirkung der zu jenem 
Zwecke nöthigen Mittel zu gewähren. Das Herrenhaus ist sich aber auch 
bewußt, daß jenem Rechte der Landesvertretung: ihre Wünsche und Ansichten 
in Fragen der äußeren Politik auszusprechen, und denselben innerhalb ihrer 
Competenz Geltung zu verschaffen, das ältere Recht der preußischen Könige, 
welches der Artikel 48 der Verfassung aufs Neue bestätigt, gegenübersteht: in 
Fragen der äußern Politik, welche in der Regel die Frage über Krieg oder 
Frieden in ihrem Schooße tragen, selbständig und endgiltig zu entscheiden. 
Auch das Herrenhaus würde mit Freuden einen deutschen Fürsten als Herrscher 
jener deutschen Länder begrüßen. Auch wir würden, wenn Ew. Maj. nach 
Prüfung des Rechts und der europäischen Verhältnisse es im Interesse 
Preußens für gerechtfertigt erachten sollten, jenem Wunsche des deutschen Volkes 
durch die preußischen Waffen Nachdruck zu geben, freudig die hiezu nöthigen 
Mittel gewähren. Aber dies kann kein Grund sein, die nöthigen Mittel zu 
versagen. . . . Aus allen diesen Gründen fühlt das Herrenhaus sich gedrungen: 
Eurer k. Maj. ehrerbietigst zu erklären, daß es die unbedingte Genehmi- 
gung des Gesetzesentwurfes über den Geldbedarf für die militärischen Maß- 
regeln in Folge der zwischen Deutschland und Dänemark schwebenden Streit- 
fragen seinerseits als eine unabweisliche Pflicht erkennt, daß es aber, auch 
wenn wider Verhoffen derselbe die Genehmigung des andern Hauses nicht 
finden sollte, von der Zuversicht erfüllt ist, daß die Opferbereitschaft des 
preußischen Volkes, wo es sich um die Ehre und Pflicht Preußens wie um 
den Schutz eines deutschen Bundeslandes gegen Vergewaltigung Seitens 
Dänemarks handelt, nöthigenfalls ohne ein Gesetz jene Mittel ge- 
währen werde.“ 
27. „ Der König lehnt die in der Adresse des Abg.-Hauses nieder- 
gelegten Forderungen bezüglich der Haltung Preußens in der schles- 
wig-holsteinischen Frage durch eine vom gesammten Staatsministerium 
unterzeichneten Antwort ab: 
       „ . . . Wenn an die Spitze dieser Adresse der Satz gestellt worden ist, 
daß das Haus der Abgeordneten bereits die Richtung bezeichnet habe, welche 
einzuhalten Deutschlands Ehre und Interessen gebieten, so will Ich annehmen, 
daß damit der Mir nach der Verfassung und den Gesetzen des Landes zu- 
stehenden Entscheidung über die Beziehungen der Monarchie zum Auslande
	        
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