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Deutschland.
Einige andere preuß. Abgeordnete motiviren ihr Nichterscheinen in Frankfurt
durch förmliche Absagebriefe: Twesten, Mommsen, Jung. Absagebrief Twe-
stens: „... Die Majorität des preußischen Abgeordnetenhauses hat diese Politik
nicht gewollt. Wir haben neben der Trennung der Herzogthümer von Däne-
mark ein ihrem Recht und ihrem Willen entsprechende Constituirung derselben
gewünscht, dabei freilich eine Unterordnung unter Preußen in militäri-
scher und maritimer Beziehung vorausgesetzt, als die einzige Form,
in welcher ihre Kräfte für Deutschland nutzbar werden können. Wir können
auch jetzt nicht damit einverstanden sein, daß über ein deutsches Land ohne
dessen Zustimmung disponirt, daß es als willenloses Object der Cabinetspolitik
behandelt wird. Aber wir haben nicht bloß das Selbstbestimmungsrecht des
Volkes in Deutschland, nicht blos die Rechte des Volkes den Negierungen gegen-
über, wir haben auch die Machtstellung unseres Staates ins Auge
zu fassen und können uns nie an Schritten betheiligen, welche sich nicht
blos gegen die augenblicklichen Machthaber, sondern gegen
den preußischen Staat wenden, welche darauf abzielen, Preu-
ßen eine Niederlage zu bereiten. Ich hielt es im Februar v. J.
für gebeten, nicht mehr an dem Sechsunddreißiger-Ausschuß Theil zu nehmen,
als er das übrige Deutschland gegen Preußen aufrief. Aehnlich liegt
die Sache jetzt. Wir ziehen jede Alternative einer Niederlage
des preußischen Staates vor. Wir thun das nicht bloß in preußi-
schem, sondern auch in deutschem Interesse, weil wir durch den Verlauf der
neuesten Ereignisse nur in der Ueberzeugung bestärkt sind, daß es keine
Macht gibt, die für Deutschland etwas leisten und wirken
kann, als Preußen. Eine Gefahr von Schmach und Schande dem Aus-
lande gegenüber, eine Gefahr der Einmischung desselben liegt nicht vor. Eine
solche Gefahr würde nur entstehen, wenn die vagen von ferne gegen Preußen
eingegebenen Gedanken eines Deutschland ohne Preußen Realität gewinnen
könnten. Darauf gerichtete Pläne würde ich für verderblich halten, wenn sie
nicht ohnmächtig wären. Bei der jetzigen Sachlage fürchte ich, daß Verhand-
lungen preußischer und süddeutscher Abgeordneten über die schleswig-holsteini-
sche Sache entweder resultatlos verlaufen, oder den Bruch zwischen dem Norden
und Süden Deutschlands unheilbar erweitern würden. Daher halte ich es
für gerathen, daß die preußischen Abgeordneten dem gegen ihre Wünsche berufenen
Abgeordnetentage ferne bleiben. Den Muth, für Recht und Freiheit einzutreten, so-
wohl der eigenen Regierung wie populären Strömungen gegenüber, haben Manche
von uns bewährt und werden ihn ferner bewähren. Die Voraussetzung einiger
süddeutscher Zeitungen, als ob wir aus Furcht vor unserer Regierung zurück-
bleiben möchten, muß ich zurückweisen und ebenso die Voraussetzung, daß die
Ausbleibenden den etwaigen Beschlüssen der Erschienenen zustimmten. Die
Mehrheit der preußischen Abgeordneten wird niemals Be-
schlüssen zustimmen, welche gegen die Macht und die Zu-
kunft des preußischen Staates in die Schranken treten.“
Die preußischen Abgeordneten Harkort und Frese erlassen nachher förmliche
Proteste gegen die Erklärungen Twestens; Erklärungen Grootes und Virchovs.
Erklärung von 15 nicht erschienenen österr. Abgeordneten
(meist aus Steiermark): „Angesichts der nunmehr durch die Erfolge der
Waffen Oesterreichs und Preußens bewirkten Lostrennung Schleswig-Hol-
steins von Dänemark, Angesichts der seither in den Herzogthümern geschehenen
Gewaltschritte, Angesichts der durch die Gasteiner Convention neuerlich ge-
schaffenen, die Rechte Schleswig-Holsteins gefährdenden provisorischen
Zustände, endlich Angesichts der aus Anlaß derselben erfolgten Einladung der
Mitglieder deutscher Landesvertretungen zu einer Versammlung in Frankfurt
am 1. October d. Js., an welcher theilzunehmen die Unterzeichneten aus
nicht näher zu erörternden Gründen sich nicht bestimmt finden, er-
klären die Unterzeichneten, daß sie an den Rechtsanschauungen, welche in der