170 Preußen.
Redefreiheit des Abg.-Hauses. Das Haus erhebt den Antrag zum
Beschluß, indeß in der von Waldaw-Steinhövel vorgeschlagenen Form,
die von einem neuen Gesetz absieht und von der Staatsregierung
Vorkehrungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Injurien, Verläum-
dungen ꝛc. im Abg.-Hause „innerhalb der Gränzen der bestehenden
Gesetze“ verlangt.
Erklärung des Ministerpräsidenten: „Die Staatsregierung ist
der Ansicht, daß ein Privilegium zu Beleidigungen und Verläumdungen in
Preußen nicht bestehen sollte, oder doch nur so lange geduldet werden könnte,
als das sittliche Gefühl sich nicht stark genug erweist, um die Ausübung eines
solchen Privilegiums zu verhindern. Die Regierung hat den Eindruck, daß
diese Prämisse nicht mehr zutrifft und daß sie deshalb der Frage: besteht ein
solches Privilegium bei und oder nicht, näher treten muß. Wenn es bestände
und benutzt wird, so brauche ich nicht nachzuweisen, daß es der Gerechtigkeit,
der Vernunft, der Würde des Landes widerspricht. Ich gebe gern zu, daß
die Versuche, erfahrungsmäßig zu ermitteln, ob die Gerichte das Bestehen
eines solchen Privilegiums anerkennen, bisher noch nicht erschöpfend genug
ausgefallen sind. Nach dem Amendment von Waldaw wird die Existenz des
Uebelstandes bezweifelt und der Regierung anheimgegeben, der Frage, ob die
Gerichte die Verfassung so auslegen, daß volle Straflosigkeit für Injurien und
Verbrechen, so weit sie durch das Wort begangen werden können, existirt, näher
zu treten und sie genauer und sicherer als bisher zu ermitteln. Die k. Re-
gierung ist bereit, diesen Weg zu betreten. Sollle sich dabei heraus-
stellen, daß dennoch nach den Erkenntnissen der k. Gerichte dieses Privilegium
ad usum besteht, so wird die Regierung bestrebt sein, auf dem gesetzmäßigen
Wege einzutreten, seine Abschaffung anzubahnen und hofft alsdann bei dieser
Bemühung auf die Unterstützung dieses Hauses“.
15. Juni. Die Regierung versagt drei Wahlen der Stadtverordneten von
Berlin in den Magistrat, ihrer politischen Gesinnung wegen, ihre
Genehmigung und behält sich vor, für einen der Nichtbestätigten
einen k. Commissär in den Magistrat zu senden. Einen derartigen
Vorgang hat Berlin seit 1808 nicht erlebt.
16. „ Das Abg.-Haus lehnt den Antrag v. d. Heydt auf Beschränkung
der Redefreiheit mit allen gegen 16 (feudale) Stimmen ab.
„ „ Das Herrenhaus lehnt das Budget, wie es aus den Berathungen
des Abg.-Hauses hervorgegangen ist, wieder mit großer Mehrheit ab,
nimmt aber diesmal davon Umgang, dafür einfach die Regierungs-
vorlage herzustellen, sondern beschließt, „die Regierung zu ersuchen,
die zur heilsamen und Preußens Ausgaben entsprechenden Fortfüh-
rung der Staatsverwaltung erforderlichen Ausgaben als Verwaltungs-
norm festzustellen und dieselbe wie auch die Staatseinnahmen für das
Jahr 1865 zur öffentlichen Kenntniß zu bringen". — Auf den An-
trag des Grafen Arnim-Boytzenburg beschließt hierauf das Herren-
haus mit großer Mehrheit:
„In Erwägung, daß die volle Ausbildung der deutschen Wehrkraft zur
See nur durch die dauernde Sicherstellung ihrer Hilfsquellen, die Bürgschaft
gegen die Erneuerungen kriegerischer Verwicklungen in den Elbherzogthümern,
sowie die Sicherheit Preußens an seinen nordwestlichen Grenzen aber nur
durch einen engen Anschluß jener Landestheile an Preußen zu erreichen ist,
ohne deshalb die Selbständigkeit eigener Verwaltung in den Herzoghtümern