Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechster Jahrgang. 1865. (6)

Preußen. 173 
gesetz für 1865 mit dem Landtage zu vereinbaren, bestimme ich auf den Be- 
richt des Staatsministeriums vom 4. Juli hiebei, daß die zurückerfolgende 
Nachweisung der für das laufende Jahr zu erwartenden Staatseinnahmen 
und Ausgaben als Richtschnur für die Verwaltung dienen soll. Zugleich 
will ich dem Marineminister die Summe von 500,000 Thlr. zur Verfügung 
stellen, über deren Verwendung, resp. Verrechnung mir von den Ministern 
der Marine und der Finanzen am Jahresschluß Bericht zu erstatten ist. 
Diesen Erlaß nebst der Anlage und dem Bericht hat das Staatsministerium 
durch den „Staatsanzeiger“ zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.“ 
Die Denkschrift des Staatsministeriums beginnt mit den 
Worten: „In Erwägung, daß ein Etatsgesetz nicht vereinbart worden ist, 
unterbreitet das Staatsministerium die Vorschläge, nach welchen Normen der 
Staatshaushaltsetat des laufenden Jahres zu führen ist, der allergnädigsten 
Genehmigung.“ Bezüglich der Ausgaben sagt der Kabinetsbericht: „Betreffs 
der Reorganisationskosten, welche seit 1862 verweigert worden sind, beziehen 
wir uns auf die wiederholt vom Könige gebilligte Erklärung, daß die Sicher- 
heit des Landes und die Erhaltung der Machtstellung die Aufrechterhaltung 
resp. Durchführung der Armee-Reorganisation unerläßlich erheischen. Ebenso 
sind die übrigen gestrichenen Positionen zur Fortführung einer heilsamen Ver- 
waltung unentbehrlich". Anlangend das Marineextraordinarium beklagt das 
Ministerium die Ablehnung der geforderten Anleihe, trägt jedoch Bedenken, 
das vom Abgeordnetenhause auf 1,100,000 Thlr. erhöhte Extraordinarium 
anzunehmen, da der Etat keine Mittel nachweise, und die Initiative bei 
Geldbewilligungen nach der Natur der Sache und der bisherigen Praxis 
ausschließlich der Staatsregierung vorzubehalten sei. Gleichwohl sei es un- 
erläßlich, die Beschaffung der unabweisbaren Bedürfnisse für die Flotte nicht 
länger auszusetzen (Beschaffung einer Panzerfregatte und schwerer Gußstahl- 
kanonen); für die Panzerfregatte seien die erforderlichen Mittel vorhanden, 
für die Gußstahlkanonen beantrage das Ministerium der Marine 500,000 
Thaler zur Verfügung zu stellen. 
10. Juli. Das Kölner Festcomité unter dem Vorsitze des Stadtverordneten 
 
Classen-Kappelmann ladet sämmtliche Mitglieder der liberalen Parteien 
des Abg.-Hauses auf den 22. und 23. Juli zu einem solennen Fest- 
mahle und einer Rheinfahrt nach Köln ein, behufs „Austauschs der 
Ideen über die jetzige politische Lage des Landes“ und „um gegen- 
seitig die Ausdauer und Einmüthigkeit zu beleben, welche der zum 
Schutze der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten zu führende 
Kampf von einem jeden erfordert". 
11. „ Der Polizeipräsident von Köln verbietet, gestützt auf das Gesetz 
vom 11. März 1850 (über Verhütung des Mißbrauchs des Ver- 
sammlungs- und Vereinigungsrecht), das beabsichtigte Abgeordneten- 
fest. Das Festcomité erklärt dagegen dem Polizeidirector, „es glaube 
kraft seiner staatsbürgerlichen Rechte freimüthig und offen erklären 
zu dürfen, daß wir keinerlei Mittheilung, welche außerhalb gesetz- 
licher Vorschriften und gegen den § 29 der Verfassung (Alle Preu- 
ßen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß 
friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln) 
an uns ergeht, Folge zu leisten verpflichtet sind. Bei aller Achtung 
vor den Anordnungen der Obrigkeit gebietet uns die Bürgerpflicht, 
auch unsere Rechte, wir sie uns durch die Verfassung und Landes-