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Amerika.
die Vernichtung der einen ist die Vernichtung der andern, die Erhaltung der
einen ist die Erhaltung der andern.
„Ich habe meine Ansichten betrefss der gegenseitigen Beziehungen der
Verfassung und der Staaten solchermaßen dargelegt, weil sie die Principien
enthüllen, auf Grund deren ich die gewichtigen Fragen zu lösen, und die
ängstigenden Schwierigkeiten, welche sich mir gleich im Anfang meiner Ver-
waltung entgegenstellten, zu besiegen gestrebt habe. Es ist mein unverrücktes
Ziel gewesen, mich dem Einflusse momentaner Leidenschaften zu entziehen, und
in den fundamentalen und unabänderlichen Grundsätzen der Verfassung eine
heilende Politik zu finden.
Politik gegen den Süden. „Ich fand die Staaten unter den Fol-
gen eines Bürgerkriegs niedergedrückt. Der Widerstand gegen die allgemeine
Regierung schien sich erschöpft zu haben. Die Ver. Staaten hatten wieder
Besitz ergriffen von ihren Festungen und Arsenalen, und die Armeen hielten
jeden Staat, der sich loszureißen versucht hatte, besetzt. Ob das Gebiet inner-
halb der Gränzen jener Staaten als erobertes Land unter der von dem Prä-
sidenten als dem Haupt der Armee ausgehenden Autorität zu halten sei, war
die erste Frage, die sich zur Entscheidung darbot.
„Es würden aber Militärregierungen, auf unbestimmte Dauer eingesetzt,
keine Gewißheit einer baldigen Unterdrückung der Unzufriedenheit gewährt
haben; sie würden das Volk in Sieger und Besiegte gespalten und eher den
Haß verbittert, als die Zuneigung wiederhergestellt haben. Einmal eingesetzt,
war ihre Fortdauer an keine berechenbare und feste Grenze gebunden. Sie
würden unabsehbare und verderbliche Kosten verursacht haben. Friedliche
Auswanderung nach und aus jenem Theil des Landes ist eines der besten
Mittel, welche für die Wiederherstellung der Eintracht ersonnen werden können,
und diese Auswanderung würde verhindert worden sein. Denn welcher Ein-
wanderer, welcher arbeitsame Bürger im Lande würde sich gern unter mili-
tärische Herrschaft stellen? Diejenigen, welche zumeist der Armee auf dem Fuß
gefolgt wären, würden von der allgemeinen Regierung abhängig oder solche
Männer gewesen sein, die aus dem Elend ihrer irrenden Mitbürger Nutzen zu
ziehen trachteten. Die Befugnisse der Stellenvergebung und der Herrschast,
welche unter dem Präsidenten über weite volkreiche und von der Natur reich-
begünstigte Strecken ausgcübt worden wären, sind größer, als ich sie, es sei
denn unter dem Druck der äußersten Nothwendigkeit, einem einzelnen je an-
vertrauen möchte; sie sind so groß, daß ich mich niemals, außer in dringend-
sten Nothfällen, dazu verstehen würde, sie auszuüben. Die Willkürausübung
solcher Befugnisse, durch eine Reihe von Jahren fortgesetzt, würde die Rein-
heit der allgemeinen Verwaltung und die Freiheit der treugebliebenen Staaten
gefährden. Ueberdieß würde die Politik der militärischen Beherrschung eines
eroberten Gebiets die Behauptung in sich enthalten haben, daß die Staaten,
deren Bewohner an der Empörung theilgenommen, vermöge dieses Actes ihrer
Bewohner aufgehört hätten zu existiren. Die wahre Theorie aber ist, daß alle
vorgeblichen Handlungen der Losreißung von Anfang an null und nichtig
waren. Die Staaten können nicht Verrath begehen, noch auch die einzelnen
Bürger, die Verrath begangen haben, schirmen; ebenso wenig wie sie mit
fremden Mächten giltige Verträge abschließen, gesetzlichen Verkehr unterhalten
können. Die Staaten, welche sich loszureißen versuchten, versetzten sich in
eine Lage, worin ihre Lebensfähigkeit beeinträchtigt, aber nicht erstickt, ihre
Junctionen suspendirt, aber nicht zerstört wurden.
„Wenn jedoch irgendein Einzelstaat seine Pflichten hintansetzt oder zu er-
füllen verweigert, so ist es um so nöthiger, daß die allgemeine Regierung ihre
ganze Autorität aufrechthalte, und sobald wie möglich die Ausübung aller
ihrer Functionen in die Hand nehme. Nach diesem Grundsatz habe ich ge-
handelt, und so allmählig und still und in fast unmerklichen Abstufungen
die rechtmäßige Thatkraft der allgemeinen Regierung und der Einzelstaaten