Uebersicht der Errignise des Jahres 1865. 437
der Regierung, daß dieselben einer Revision unterzogen werden He#
müßten, bevor sie von ihr anerkannt und ausgeführt werden könnten,
während die Ungarn bekanntlich umgekehrt verlangen, daß jene
Gesetze vor allem aus und zuerst anerkannt und eingeführt werden
müßten, bevor sie sich dazu entschlössen, dieselben zu revidiren. Die
Antwortsadresse des ungarischen Landtags fällt indeß nicht mehr ins
Jahr 1865. Das Jahr schloß für Oesterreich im Ganzen nichts
weniger als befriedigend: die deutschen Bevölkerungen waren durch
die Sistirung der Verfassung verletzt und der Regierung entfremdelt,
auf die Slaven, zumal die Czechen mit ihren deutsch-feindlichen Be-
strebungen konnte sich diese unmöglich stützen, der Ausgleich mit
Ungarn stand tretz der ihm gemachten Concessionen noch in weiter
Ferne, die Finanzlage des Reichs war fortwährend eine zum min-
desten höchst bedenkliche.
Gegenüber Preußen hatte sich Oesterreich durch den Abschluß
der Gasteiner Convention vorerst Ruhe verschafft. Die Differenz
mit Preußen war aber dadurch keineswegs beseitigt worden. Die
Allianz war innerlich vollständig gelöst und konnte jeden Augenblick,
wie Hr. v. Bismarck dazu schon vor dem Abschluß der Convention
Lust gezeigt hatte, in ihr Gegentheil, d. h. in einen offenen Krieg
zwischen Oesterreich und Preußen umschlagen. Das Verhältniß zum
übrigen Deutschland wurde durch die Gasteiner Convention für Oester-
reich in keiner Weise gebessert. Das Verhältniß zur Bundesver-
sammlung in Frankfurt blieb dasselbe. Vor der Gasteiner Conven-
tion, als das Verhältniß zu Preußen immer schlimmer wurde, schien
Oesterreich einen Augenblick sich der Bundesversammlung wieder
nähern zu wollen. Einem von Bayern, Sachsen und Hessen-Darm-
stadt am Bunde gestellten Antrage „die vertrauensvolle Erwartung
auszusprechen, es werde den höchsten Regierungen von Oesterreich
und Preußen gefallen, dem Erbprinzen von Augustenburg das Her-
zogthum Holstein nunmehr in eigene Verwaltung zu übergeben“
stimmte Oesterreich bei und der Antrag erlangte damit am 6. April
eine Majorität von 9 gegen 6 Stimmen, blieb aber ohne allen Er-
folg, indem Preußen seinerseits sofort erklärte, daß „die Erfüllung
der ausgesprochenen Erwarlung nicht in Aussicht stehe"“. Am 27.
Juli stellten diefelben drei Regierungen einen neuen Antrag am
Bunde, durch welchen Oesterreich und Preußen aufgefordert werden
sollten, die Stände von Holsiein einzuberufen und auf die Auf-