Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

          Preußen und der norddeutsche Bund.       121 
verlängerten Aufenthalt die Erlaubniß nachsuchen. Alle Personen unter ihnen 
hingegen, welche durch ihr Benehmen im Lande, d. h. durch Aufreizungen 
und Agitationen, zu Klagen und Beschwerden Anlaß gegeben haben, können 
keine Erlaubniß zu einem verlängerten Aufenthalt erwirken. Der Art. XIX 
des Prager Friedensvertrages, welcher das Recht zur Uebersiedelung nach 
Dänemark „mit Familie“ behandelt, soll stricte interpretirt und in Aus- 
führung gebracht werden. Die Erklärungen hinsichtlich des Ausscheidens aus 
dem Staatsverbande müssen daher zugleich im Namen der Familien ab- 
gegeben werden. Endlich ist die Wiederaufnahme von Uebergetretenen, welche 
in Dänemark hilfsbedürftig geworden und verarmt sind, auf das Bestimmteste 
zu verweigern. — Das Formular, welches für die polizeilichen Ausweisungs- 
befehle an die Familien der entflohenen nordschleswig'schen Wehrpflichtigen 
maßgebend ist, lautet solgender Maßen: „N. N. ist laut abgegebener Er- 
klärung nach Dänemark ausgewandert. Die Gattin des N. N. H 
ist heute ausgewiesen und ihr eröffnet worden, daß sie traunsportirt werden 
wird, wenn sie nicht binnen acht Tagen fortgezogen ist.“ 
30.—31. Mai. (Preußen). Ankunft des Kaisers von Rußland in 
Potsdam auf dem Wege zur Weltausstellung in Paris. 
31. Mai. (Preußen). Abg.-Haus: Zweite Lesung der norddeutschen 
Bundesverfassung. Der Resolutionsantrag der Fortschrittspartei gegen 
dieselbe wird wiederum gestellt und wiederum verworfen und die 
Vorlage mit 227 gegen 93 Stimmen endgültig angenommen. 
— „ (Freußen). Eine kgl. Cabinetsordre über die Entlassung der 
Reserven bestimmt, daß „von den Truppen so viel Mannschaften 
auf Königsurlaub nach zweijähriger und theilweise sogar nach noch 
kürzerer Dienstzeit entlassen werden sollen, als zur Einstellung der 
regelmäßigen Rekrutenzahl nothwendig erscheint." 
1. Juni. (Mecklenburg). Feierliche Eröffnung des außerordentlichen 
Landtags durch den Großherzog in Person. Thronrede desselben: 
„Dank ernster Arbeit und allseitiger Mäßigung ist das vorgesteckte Ziel 
erreicht worden, und soll die von den Regierungen mit dem Reichstag fest- 
gestellte Verfassung nunmehr durch die Mitwirkung der Einzel-Landtage zum 
Abschluß gebracht werden. Zu diesem Zweck habe ich Sie, dem von Ihnen 
gemachten Vorbehalt entsprechend, heute hier wiederum versammelt, und ver- 
traue dem stets bewährten Patriotismus Meiner getreuen Stände, daß die- 
selben bereit sein werden auch ihrerseits zum ungesäumten Inslebentreten 
des nationalen Werks entschlossen mitzuwirken. Ich ermächtige nunmehr 
Meine Landtags-Commissarien, Meine Proposition zu Ihrer Kenntniß zu 
bringen.“ 
Die landesherrlichen Propositionen empfehlen ebenfalls dringend 
die Annahme; die ständischen Wünsche hätten allerdings nicht in 
allen Punkten Berücksichtigung gefunden, aber die Verfassung im 
Ganzen sei annehmbar; sie biete namentlich Schutz gegen Außen 
und gegen destructive Tendenzen im Innern. In der Schwerin'schen 
Proposition heißt es in dieser Beziehung: 
„Mit voller Bestimmtheit wollen übrigens Se. kgl. Hoheit den versam- 
melten Ständen die Versicherung ertheilt wissen, daß zur Erreichung aller 
derjenigen ständischen Desiderien, deren Verwirklichung Allerhöchstdieselben im 
Interesse des großen gemeinsamen wie des engeren Vaterlandes als wünschens-
	        
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