126 Preußen und der norddeutsche Bund.
beauftragt worden, an den Herrn Conseil-Präsidenten amtlich die Anfrage zu
richten, ob die königl. däuische Regierung sich im Stande glaube, Einricht-
ungen zu treffen und Maßregeln in Aussicht zu stellen, welche für den Schutz
und die Sicherung der nationalen Eigenthümlichkeit der in den etwa ab-
getretenen Gebietstheilen einzeln oder in Gemeinden wohnenden Deutschen
bestimmte Bürgschaften geben, und welcher Art, in individueller, localer und
communaler Beziehung, diese Garantien sein würden? — oder ob sie eine
solche Berücksichtigung und Erhaltung der nationalen Eigenthümlichkeit künf-
tiger deutscher Unterthanen für unmöglich erachtet, oder wenigstens darüber
im Voraus bestimmter sich zu erklären definitiv ablehnt? Es bedarf nicht
erst der Bemerkung, daß von der Beantwortung dieser Fragen der Umfang
der beabsichtigten Abstimmung resp. Abtretung abhängig ist; und je mehr die
königl. Regierung wünscht, durch den Abschluß dieses Angelegenheit sowohl
der Stimmung der Bevölkerung Rechnung zu tragen, als auch der königl.
dänischen Regierung einen Beweis ihrer freundschaftlichen Gesinnungen zu
eben, um so mehr muß sie auch erwarten, daß dle letztere durch ein ent-
prechendes Entgegenkommen ihr die Beschleunigung möglich machen werde.
Zugleich mit diesem Gegenstande darf der ganz ergebenst Unterzeichnete sich
auch über den zweiten, bereits in den vertraulichen Unterredungen von ihm
berührten Punkt, nämlich die Bereitwilligkeit zur Uebernahme eines propor-
tionirten Theiles der Schuld der Herzogthümer, eine bestimmte Aeußerung
erbitten.“
18. Juni. (Preußen). Angebliche Depesche des preuß. Gesandten in
Wien, Hrn. v. Werther, an den Grafen Bismarck aus Anlaß der
ungarischen Krönungsfeste in Pesth:
„Während meines kurzen Aufenthaltes in Pesth wollte ich nicht nur die
Ansichten verschiedener Landtags-Mitglieder von dem von der Verständigung
zu erwartenden Erfolge und die Denkungsweise der Bevölkerung selbst kennen
lernen, sondern besonders auch erforschen, ob und in welchem Grade die
Ungarn vom Danke Preußen gegenüber erfüllt sind, dessen Einflusse sie ge-
wisser Maßen ihre jetzige politische Stellung verdanken. Was den ersten
Punkt betrifft, scheint mir die Meinung des gegenwärtigen Leiters der unga-
rischen Politik die allgemeine Ansicht widerzuspiegeln. Graf Andrassy hat
gegen eine vertraute Person die Ueberzeugung geäußert, daß es ihm gelingen
werde, die diesseitige Deputation und die Delegirten in Einklang zu bringen,
wenn die Gemüther durch die Größe und die Anregung der Krönungesfeste
dazu vorbereitet sein werden. Nach seiner Ansicht wird eine allgemeine Ver-
ständigung über die verschiedenen Punkte des Elaborats der Siebenundsechziger-
Commission um so leichter sein, als der gegenwärtige Landtag den Plänen
der kaiserlichen Regierung günstig gestimmt ist; die vom Reichsrathe zu
machenden Zugeständnisse, um den jetzigen tiesen Meinungszwiespalt zu ver-
wischen, werden daher beträchtlich verringert werden.
„Der Einfluß der Deak-Partei, das heißt der ministeriellen Partei, auf
den Gang der Ereignisse, schien vor und unmittelbar nach der Krönung
einiger Maßen geschwächt zu sein. Man hat einen Augenblick gefürchtet,
daß mehrere Mitglieder, getäuscht in ihrer persönlichen Ehrbegierde, deren
Befriedigung sie ihr Votum untergeordnet hatten, eine Schwenkung zur Linken
machen würden; allein die Spende der 100,000 Ducaten, welche der König
am Krönungstage den überlebenden Armen der revolutionären Armee von
1848 machte, und die vollständige Amnestie haben im ganzen Lande einen
so tiesen Eindruck gemacht, daß, wie man mir versichert, sogar die Mitglieder
der äußersten Linken gestehen mußten, daß ihr Tag noch nicht gekommen sei,
und daß sie die Verwirklichung ihrer Hoffnungen einer späteren Zeit über-
lassen, oder der Gunst noch nicht erkennbarer Eventualitäten unterordnen
müssen. Die vom Grafen Andrassy vorgeschlagenen Maßregeln wurden vom