Preußen und der norddeutsche Bund. 127
Könige ohne den mindesten Einwurf angenommen, ja vielleicht ohne daß er
ihre volle Tragweite ahnte. Sie haben die Desertion in dieser ministeriellen
Partei aufgehalten, und den Eindruck des Kossuth'schen Rundschreibens ver-
wischt, von dem ich Sie in anderen Berichien unterhielt.
„Man kann überhaupt nicht in Abrede stellen, daß in der Bewegung der
innern Politik in Ungarn keine außerordentlich liberale Strömung obwaltet,
welche die Krone in ihrer Abhängigkeit erhalten könnte. Die Kraft, welche
das österreichische Kaiserhaus bei diesem Zustande der Dinge in diesem Augen-
blicke schöpft, ist den wechselnden Verhältnissen der Zukunft und der jeweiligen
Meinung der Nation unterworfen, so daß man in bestimmter Weise nur von
der Gegenwart sprechen kann; es ist jedoch wahrscheinlich, daß die weitere
Entwicklung des Duallsmus eher eine Abschwächung der österreichisch-deutschen
Strebungen zur Folge haben werde.
„Der Empfang, der mir und den Mitgliedern der Gesandtschaft in Pesth
zu Theil wurde, war sehr zuvorkommend und sticht von demjenigen ab, der
uns hier in der sogenannten Gesellschaft widerfährt. Die Mittheilungen,
welche ich über die Meinung im Innern Ungarns erhielt, haben mich über-
zeugt, daß man in allen Schlichten der Gesellschaft viel Sympathie und Dank-
barkeit für Preußen hegt. Die Reichsraths-Deputation wurde zwar mit vielen
äußeren Kundgebungen empfangen, aber der deutsche Oesterreicher wird von
den Ungarn nicht geliebt, die für die Zukunft in uns Preußen ihre mittel-
baren Beschützer gegen die Wiener herrschsüchtigen Tendenzen erblicken.“
Die zuerst von der Gaz. de France mit dem Bemerken, sie sei
vom Grafen Bismarck sämmtlichen preuß. Legationen mitgetheilt
worden, veröffentlichte Depesche erregt in Oesterreich großes Aufsehen
und vielfache Erbitterung. Der preuß. Staatsanz. erklärt (12. Juli)
officiell, daß die Depesche „nicht existire“. Die öffentliche Meinung
in Oesterreich hält sie jedoch trotzdem für echt und die österreichischen
Blätter behaupten, daß die österreichische Regierung die Beweise
dafür in Händen habe.
18. Juni. (Preußen: Frankfurt). Senat und ständige Bürger-Reprä-
sentation verwerfen beide einstimmig definitiv den Vorschlag der Regierung
bezüglich Vermögens-Ausscheidung zwischen Staats= und Stadtgut.
18.—21. Juni. (Waldeck). Der Landtag lehnt in wiederholter Abstimmung,
zuerst einstimmig, dann gegen 1 Stimme, die unbedingte Zustimmung
zur Verfassung des norddeutschen Bundes ab und beschließt:
„In Erwägung, daß die Finanzlage der Fürstenthümer Waldeck und
Pyrmont, welche shen bisher es kaum gestattete, die dringendsten Staats-
bedürfnisse zu decken, es als eine reine Unmöglichkeit erscheinen läßt, den
durch die Verfassung des norddeutschen Bundes erwachsenden Mehraufwand
durch neue Steuern aufzubringen, und daß deßhalb die Hoffnung unserer
Landesangehörigen lediglich auf den preußischen Staat gerichtet ist, — die
Zustimmung nur unter der Bedingung zu erklären: daß binnen Jahresfrist
zwischen der Krone Preußen und Sr. Durchl. dem Fürsten von Waldeck und
Pyrmont, unter Zustimmung der beiderseitigen Ständeversammlungen, ein
Vertrag zum Abschlusse gelange, welcher entweder eine vollständige Ver-
schmelzung der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont mit dem preußischen
Staate bewirke, oder, wenn dies nicht thunlich sein sollte, anderweite, zur
Abwendung der Ueberbürdung diesseitiger Staatsangehörigen dienende Ein-
richtungen schaffe.“