Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
182                       Die sũddeutschen Staaten. 
Regierung, bei welcher Euer ect. ect. beglaubigt zu sein die Ehre haben, zu 
sehr, um im gegenwärtigen Augenblick aus der bisherigen zuwartenden 
Stellung heraustreten und die Berathung der Grundzüge einer neuen Bundes- 
verfassung anbahnen zu wollen. Nur in einer Richtung erachtet es die 
k. Regierung durch die Pflicht der Selbsterhaltung dringend geboten, sofort 
dahin zu wirken, daß an die Stelle der durch die Gewalt der Umstände auf- 
gehobenen Grundbestimmungen andere, und wo möglich bessere, gesetzt werden. 
Die Bundeskriegsverfassung besteht nicht mehr. Es ist hohe Zeit zum Schutze 
Bayerns und der übrigen südwestdeutschen Staaten, nämlich des Königreichs 
Württemberg, des Großherzogthums Baden und des Großherzogthums Hessen, 
soweit letzteres nicht dem norddeutschen Bund angehört, gegen äußere und 
innere Gefahren eine andere Kriegsverfassung an die Stelle der bisherigen 
zu setzen, und bei deren Feststellung die gewichtigen Lehren des letzten Jahres 
zu, benützen. Eine Berathung und Vereinbarung der genannten vier Länder 
über die Nothwendigkeit und über die Grundzüge einer solchen Kriegsver- 
fassung erscheint um so dringender, als die öffemliche Meinung — und mit 
vollem Recht — in allen diesen Ländern eine Umgestaltung der Heeres- 
organisation fordert, eben deßhalb auch die Nothwendigkeit der Revision der 
Gesetze über Bildung des Heeres von der k. bayerischen sowohl als von den 
übrigen Regierungen anerkannt und solche Revision selbst in Aussicht gestellt 
ist. Es besleht nun die dringende Gefahr, daß in den genannten Ländern 
diese Revision in verschiedener eine einheitliche Militärverfassung derselben 
für alle Zukunft hindernder Weise erfolge. Diese Gefahr besteht namentlich 
in Bayern, wo ein vollständiger Entwurf der Militärverfassung bereits aus- 
gearbeitet ist, und dem Ministerrath zur Berathung vorliegt. Als den Weg 
diese Gefahr zu beseitigen erachtet nun die k. Regierung den Abschluß einer 
die Grundzüge einer gemeinsamen oder doch gleichartigen Wehr- 
verfassung der genannten vier Staaten, vorbehaltlich der Genehmigung 
der Stände, feststellenden Uebereinkunft. Als das Mittel, am raschesten und 
sichersten über die Schwierigkeit der Aussührung hinwegzukommen, erscheint 
der k. Regierung eine Conserenz der Minister des Aeußern und des Kriegs 
der genannten vier Staaten. Euer ect. erhalten den Auftrag, die Titl. Re- 
ierung zur Theilnahme an solcher Conferenz, die sich zugleich über die Ver- 
gcnung bezüglich der bisherigen Bundesfestungen Ulm und Rastatt schlüssig 
zu machen hätte, einzuladen. Als Ort der Conferenz wird Stuttgart, als 
Zeit bei der Dringlichkeit der Umstände, Ende Jannar 1867 vorgeschlagen."“ 
Berathungsgegenstände: I. Die Versammelten erkennen es als ein 
Bedürfniß der Zeit, die Wehrkräfte ihrer Länder zu erhöhen und so zu or- 
ganisiren, daß sie zu Achtung gebietender gemelnsamer Action befähigt werden. 
II. Sie einigen sich deßhalb, vorbehaltlich verfassungsmäßiger Mitwirkung 
ihrer Stände, zu möglichster Erhöhung ihrer Wehrkräfte unter einer den 
Principien der preußischen nachgebildeten Wehrverfassung, III. Als die 
Principien dieses Wehrsystems, welche den vier Staaten gemeinschaftlich sekn 
sollen, werden bezeichnet: 1) Eintritt in die Armee nach den Grundsätzen der 
allgemeinen Wehrpflicht mit Aufhebung des Lesens, Tauschens und der Stell- 
vertretung, und mit ber zu vollgenügender nlibirische Ausbildung nöthigen 
Präsenzzeit. 2) Uebertritt der ausgedienten Mannschaft in die Kriegsreserve 
ihrer Abtheilung mit dreimonatlicher Uebung während der Zeit det Dienst- 
pflicht und Verwendung im Kriege gleich der Linie. 3) Hienach Eintritt in 
die nach Verwaltungsbezirken zu bildenden Reservebataillone mit kurzen Jahres- 
übungen im Frieben, von welchen. Dispens erthellt werden kann, und mit 
Verwendung neben der Linie im Krieg. 4) Verwendung des Restes der 
waffensähigen Mamschaft als Landwehr zum innern und örtlichen Dienst in 
zwei Abtheilungen, von denen die jüngere im Kriegsfall innerhalb der Landes- 
grenze, die ältere nur im| Wohnort verwendbar ist. Zum Landwehrdienst 
sind auch die Verheiratheten beizuziehen, Während der regelmäßigen Präsenzzeit
	        
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