Die süddeutschen Staaten. 211
Verkehrslebens gerecht zu werden, und welche die Keime weiterer Entwicklung
in sich trägt. Ich begrüße in dem Zollparlamente, wenn auch seine Wirk-
samkeit eine beschränkte ist, doch freudig eine reguläre Vertretung des ge-
sammten deutschen Volkes. Der Berliner Vertrag und die zur Ausführung
desselben erforderlichen Gesetze bedürfen verfassungsmäßig Ihrer Zustimmung.“
Auf die innere Lage des Landes übergehend, erwähnt der Großherzog kurz
die Nachwirkungen des vorjährigen Krieges und fährt dann fort: „Die poli-
tischen Gesetze über Minister-Verantwortlichkeit, über die Presse und das
Vereinswesen, ebenso die über den Volksunterricht werden Ihnen wieder vor-
gelegt, und es wird ein weiterer Gesetzesentwurf über den Schutz der parla-
mentarischen Redefreiheit und Beseitigung des passiven Wahlcensus Ihrer
Zustimmung unterbreitet werden. Daneben wird meine Regierung Ihre
Mitwirkung bei einer Reihe von Gesetzentwürfen in Anspruch nehmen, welche
die Befriedigung unmittelbar praktischer Bedürfnisse bezwecken. Die Ein-
führung der norddeutschen Wehrverfassung, der Bedarf der Amortisationskasse
und die gesteigerten Anforderungen für den öffentlichen Unterricht in seinen
verschiedenen Zweigen erheischen eine stärkere Anspannung der finanziellen
Kräfte des Landes. Ich zweifle nicht, daß Sie bereitwillig die Mittel be-
willigen werden, welche meine Regierung für, die höchsten Ziele des Volkes
fordert: für die Wehrhaftmachung nach Außen, für die Verbreitung würdiger
Bildung im Innern. Meine Regierung wird, die Gebote weiser Sparsamkeit
stets im Auge behaltend, über das Maß und die Vertheilung der zu den
bisherigen Steuersätzen erforderlichen Zuschläge sich mit Ihnen vereinbaren;
sie wird es sich vor Allem angelegen sein lassen, durch Erleichterung und
Beförderung des Verkehrs den Druck der erhöhten Steuerlast unter der er-
höhten Steuerkraft verschwinden zu machen. Die Einbußen, welche die Staats-
kasse durch Aufhebung des Salzmonopols und der letzten bisher noch be-
standenen Schifffahrts-Abgaben in Folge der darüber abgeschlossenen Verträge
erleidet, werden ausgeglichen durch die Vortheile, welche durch diese Maßregeln
dem Handel und Verkehr, der gewerblichen und landwirthschaftlichen Production
erwachsen. Der Bau der Eisenbahnen soll mit ungeschwächten Kräften fort-
gesetzt werden; ein Ihnen vorzulegendes Straßengesetz wird den Bau und die
Unterhaltung eines möglichst vollständigen Netzes von Landstraßen erleichtern.
Ich erwarte, daß eine gemeinsame deutsche Ordnung des Post= und Telegra-
phen-, des Münz-, Maß= und Gewichtswesens in nicht ferner Zukunft zu er-
reichen sein wird; das gesammte wirthschaftliche Leben aller einzelnen deutschen
Staaten wird dadurch neue Impulse empfangen.“
6. Sept. (Baden). Eine landesherrliche Verordnung regelt im An-
schluß an das Kirchengesetz von 1860, das Prüfungswesen zur Er-
probung der wissenschaftlichen Vorbildung der angehenden Geistlichen
beider Confessionen. [Die Verordnung war am 12. April dem erz-
bischöfl. Ordinariate in Freiburg zur Aeußerung mitgetheilt und von
diesem am 17. April mit einem feierlichen Protest, dem am 25.
Juli eine ausführliche Motivirung folgte, beantwortet worden].
10. „ (Baden). I. Kammer: Adreßdebatte. Mit allen gegen eine
Stimme wird folgende Antwortsadresse beschlossen:
„Die erhebenden Begrüßungsworte, welche Ew. königliche Hoheit bei der
Eröffnung des gegenwärtigen Landtages vom Throne gesprochen haben, finden
bei Ihren getreuesten Ständen die vollste Zustimmung. Obwohl die ent-
scheidenden Ereignisse des vorigen Jahres auch unserem Lande schwere Prü-
fungen und Opfer auferlegt haben und obwohl wir voraussehen, daß die
Sicherung und die neue Gestaltung Deutschlands große und ungewohnte An-
strengungen erfordern, so betrachten doch auch wir mit Muth und Vertrauen
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