Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
212                                    Die süddeutschen Staaten. 
den Entwicklungsgang der politischen Wledergeburt des deutschen Vaterlandes. 
Der feste Entschluß Ew. königlichen Hoheit, die nationale Einigung unseres 
Landes mit dem norddeutschen Bunde unausgesetzt anzustreben, hat auf die 
volle Unterstützung auch der Stände gerechten Anspruch. Die politischen und 
die wirthschaftlichen Leiden der Vergangenheit und die tiefe Empfindung von 
dem unfertigen Zustande der Gegenwart mahnen uns, so weit es bei uns 
liegt, auch die dafür nöthigen Opfer willig zu übernehmen, indem wir dem 
hochherzigen Vorbilde nachstrehen, welches die opferbereite Erklärung Ew. 
königlichen Hoheit dem Lande gegeben hat. · « 
„Ihre Ruhe und ihren inneren Frieden wird die deutsche Nation erst dann 
wieder finden, wenn die endliche Form gefunden sein wird, um zwischen der 
bereits erreichten Einigung der norddeutschen Macht und den süddeutschen 
Staaten die nothwendige nationale Verbindung herzustellen und vollkommener 
zu gestalten und damit dem deutschen Volke die Bedingungen seines Lebens 
und seiner Wohlfahrt zu schaffen. Und Europa wird erst dann wieder zum 
Vollgefühl seines gesicherten Friedens gelangen, wenn die Neugestaltung 
Deutschlands dies= und jenseits des Mains vollzogen sein wird, denn die 
Einigung Deutschlands bedeutet die Wahrung des natürlichen Rechts, die 
Achtung der Völkerfreiheit, den friedlichen Fortschritt der Cultur und die 
nothwendige Beschränkung aller Eroberungspolitik. 
„In dem Abschlusse eines Schutz= und Trutzbündnisses der süddeutschen 
Staaten mit Preußen erkennen wir einen folgenreichen ersten Schritt, um 
das deutsche Volk und das deutsche Gebiet vor jedem feindlichen Angriffe und 
jeder fremden Einmischung sicher zu stellen. Mit der Regierung Ew. könig- 
lichen Hoheit betrachten wir die Reform des süddeutschen Heerwesens auf 
Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht, im engsten Anschlusse an die nord- 
deutsche Kriegsverfassung und die Unterordnung unter die bewährte preußische 
Führung für unerläßlich, um das gemeinsame Vaterland so wehrkräftig zu 
machen, als es seine Lage in der Mitte wohlgerüsteter Großmächte und seine 
politischen Aufgaben in Europa erfordern. Allerdings werden in Folge dessen 
an die persönlichen Leistungen der Bürger und an die Steuerkraft des Landes 
neue und große Ansprüche gestellt; aber bei jeder anderen Politik würden 
uns diese Opfer doch nicht erspart und müßten wir überdies besorgen, daß 
dieselben nutz= und erfolglos gebracht würden. Das sittliche Gesetz der Welt- 
ordnung, daß die staatliche Vervollkommnung der Völker nicht ohne männliche 
Anstrengung ihrer Kräfte zu erreichen ist, gilt auch für uns. In diesem 
Geiste werden wir die Vorlagen über die militärischen Verhältnisse in Er- 
wägung ziehen. 
„Indem so für die militärische Einigung von Deutschland gesorgt werden 
muß, welche freilich erst in der politischen Einigung ihre volle Begründung 
und Erfüllung finden kann, so ist die Umgestaltung des bisherigen Zollver= 
eins in eine bessere Zolleinigung ein erheblicher, bereits gesicherter Fortschritt 
in dem wirthschaftlichen und Verkehrsleben der Nation, dem wir gern zu- 
stimmen, wenngleich wir nicht verkennen, daß die Gemeinschaft des Zollsystems 
allein nicht bestehen kann ohne eine umfassendere Gemeinschaft der bürger- 
lichen und wirthschaftlichen Gesetzgebung überhaupt. Wir zweifeln nicht, daß 
die Nothwendigkeit der Logik und des natürlichen Zusammenhanges allmählich 
zu der unerläßlichen Ergänzung führen werde. 
„Ist in den Dingen, in welchem das Recht, die Würde und die Interessen 
des deutschen Volkes anderen Staaten und Völkern gegenüber in Frage sind, 
möglichste Einheit und in den Dingen des nationalen Verkehrs möglichste 
Gemeinschaft das Ziel, das wir anstreben müssen, so ist in den Dingen der 
inneren Verwaltung, der Cultur und Bildung möglichste Selbstständig- 
keit und Freiheit im Gegensatze zu einer unfruchtbaren und undeutschen Unifor- 
mität und einer überspannten Centralität das Hauptinteresse, welches zu 
wahren eine heilige Pflicht der Landesvertreiung ist. In diesen Dingen fühlt
	        
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