214 Die süddeutschen Staaten.
16. Sept. (Baden). II. Kammer: Adreßdebatte. Der (vom früheren
Minister Lamey ausgearbeitete) Entwurf wird mit allen gegen 5
Stimmen genehmigt:
„Mit innigem Dank haben die Abgeordneten des Landes die Worte des
Willkommens, womit Ew. königl. Hoheit die Berathungen der Stände er-
öffnet haben, vernommen. Unter den gewaltigen Veränderungen, welche aus
den Ereignissen des vorigen Jahres in den Zuständen des deutschen Vater-
landes hervorgingen, ist Ew. königl. Hoheit unwandelbar treu geblieben der
bewährten Liebe zum deutschen Volk, dem innigen Wunsch, es groß und
glücklich zu sehen, und dem festen Entschlusse, diesem Ziel ein jegliches Opfer
zu bringen. Dem leuchtenden Vorbilde, welches der erlauchte Fürst gibt,
wird das badische Volk freudig und vertrauensvoll nacheifern. Die Auflösung
des dentschen Bundes hat Baden wie die andern süddeutschen Staaten aus
jeder staatsrechtlichen Verbindung mit den Stammesgenossen jenseits des
Mains für den Augenblick ausgeschieden. Allein wir hegen die zuversichrliche
Erwartung, daß die dauernde erganische Verbindung mit dem neugegründeten
norddeutschen Bund unter der Führung des mächtigsten deutschen Staats bald
gefunden und damit die Wiedergeburt Deutschlands in einer Weise vollzogen
sein wird, welche unserm Vaterlande die lange vermißte Machtstellung verleiht.
Mit dem Rechte jedes freien Volks, mit dem geschichtlichen Rechte Deutsch-
lands insbesondere ist die Fortdauer dieser Trennung unvereinbar. Die na-
tionale Einigung Süddeutschlands mit dem norddeutschen Bund, unter festen,
die Wohlfahrt des Ganzen sichernden Formen, welche zugleich Raum für
selbstständige Entwicklung der Einzelstaaten läßt, kann deßhalb keinerlei fremde
Interessen verletzen, und wie sie ein unabweisbares Bedürfniß des deutschen
Volks ist, wird sie auch die Opfer lohnen, welche ihr gebracht werden müssen.
Wir beklagen es tief, daß sich der unmittelbaren Wiederherstellung eines
großen deutschen Gemeinwesens auf den realen Grundlagen des Gewordenen
Hemmnisse mannichfacher Art entgegenstellen, und hoffen mit Ew. königl.
Hoheit, daß wachsende Einsicht, daß fester Muth und der nicht zu bewältigende
Drang des deutschen Volks nach einem geeinigten Vaterlande den baldigen
Sieg über die innern und äußern Kräfte des Widerstandes davontragen wird.
Bis dahin erfreuen wir uns wenigstens der Thatsache, daß die süddeutschen
Staaten mit dem Norden sich einig wissen in der heiligen Pflicht eines
gemeinsamen Schutzes deutschen Gebiets gegen einen Angriff von Außen.
Wir erblicken in der Neubefestigung des Zollvereins und in seiner organischen
Gestaltung, welche auf einem allerdings beschränkten Gebiet ein deutsches
Parlament beruft, mit großer Befriedigung den Beginn einer Gemeinschaft,
welche, wie wir hoffen, bei einsichtsvoller Pflege bald die Gesammtheit der
wirthschaftlichen Interessen Deutschlands ergreifen und dadurch ein mächtiger
Sporn für die That der vollen Einigung sein wird. Nicht minder bedeutsam
erscheint uns die erreichte Verständigung unter den süddeutschen Staaten über
die Organisation der Wehrkrast des Volks. Die politische Lage Europas
fordert von Deutschland als unabweisliche Pflicht gegen sich selbst eine achtung-
gebietende, jedem Angriff gewachsene militärische Stellung. Daß die süd-
deutschen Staaten in ihren Leistungen sich dabei als ebenbürtig mit den
Staaten des norddeutschen Bundes erweisen, ist ebensowohl ein Gebot der
politischen Nothwendigkeit als der eigenen Achtung. Die auch im Krieg be-
währten Einrichtungen Preußens und jetzt des ganzen norddeutschen Bundes,
welche der Idee der allgemeinen Wehrhaftmachung des Volks entsprungen
sind, werden mit Recht das Vorbild dessen sein, was die süddeutschen Staaten
nachzuahmen haben. Die baldige Einführung einer ähnlichen Wehrverfassung
wird den Vollzug der nationalen Einigung mit dem norddeutschen Bund in
jeder Hinsicht erleichternd vorbereiten. Große Opfer müssen dem Volk auf-
erlegt werden um dieser Anforderung nachzukommen, in erhöhtem Maße wird