Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
218                            Die süddeutschen Staaten. 
Betheiligung. Derselbe vereinigt sich fast einstimmig über folgende 
von Kirchenrath Schenkel aus Heidelberg vorgeschlagenen Thesen: 
„1) Die Union ist der thatsächliche und rechtliche Ausdruck für das 
moderne protestantische christliche Bewußtsein, daß der Schwerpunkt des 
Christenthums nicht auf dem kirchlichen Dogma, sondern auf der christlich- 
sittlichen Lebensgemeinschaft beruhe. 2) Dadurch, daß die Union die Lehr- 
unterschiede der beiden protestantischen Hauptconfessionen für kein Hinderniß 
der kirchlichen Verfassungs= und Lebensgemeinschaft erklärt hat, ist die Lehr- 
bewegung innerhalb der protestantischen Kirche überhaupt von den herkömm- 
lichen dogmatischen Schranken befreit worden. 3) Ueberall da, wo die Union 
innerhalb des Protestantismus zu ihrem vollen Rechte und ihrer durch- 
greifenden Verwirklichung gelangt ist, ist die kirchengesetzliche Gebundenheit 
an die Antorität der Bekenntnißschriften fernerhin zu einer sittlichen Unmög- 
lichkeit geworden. 4) Innerhalb der Unionskirchen können die Bekenntniß- 
schriften nur noch insofern-dauernde Geltung beanspruchen, als in ihnen die 
Grundsätze enthalten sind, aus welchen die christlich-sittliche Lebensgemein- 
schaft der Protestanten ihren Ursprung genommen hat und von welchen sie 
fortwährend getragen ist. 5) Auf dem gemeinsamen Grunde der Union sind 
daher verschiedene dogmatische Richtungen zulässig und ist insonderheit die 
wissenschaftlich freie Richtung in gleicher Weise wie die sog. bekenntnißmäßige 
berechtigt, sich einen angemessenen Ausdruck in öffentlicher Lehre und kirch- 
lichem Leben zu geben, soweit sie mit jenen Grundsätzen nicht in Widerspruch 
tritt. 6) Zur allmählichen Ausbildung der Union im angegebenen Sinne 
können verschiedene noch unvollkommene vorgängige Entwickelungsstufen 
führen, die jedoch auch als solche erkannt und behandelt werden müssen. 
7) Im Widerspruche mit dem wahren Prinzipe der Union und mit dem 
Prinzipe der protestantischen Geistesfreiheit steht die sogenannte Consensus= 
union, welche auf der Voraussetzung beruht, daß mit Ausnahme der her- 
kömmlichen Unterscheidungslehren die ganze Lehrsubstanz der Bekenntniß- 
schriften noch immer rechtlich und moralisch für die Lehrer und Mitglieder 
der Unionskirchen verbindlich sei. 8) Der Abschluß der Union auf dem 
Grunde der Abendmahlsgemeinschaft und der Einheit des Kirchenregiments 
ist ausreichend, wenn die dogmatische Lehrbewegung (nach These 3 und 5) 
freigegeben wird. 9) Das letzte Ziel der Unionsstiftung in Deutschland ist 
die deutsche protestantische Nationalkirche, deren Ausbau den 
Fortbestand Fprovinzial-kirchlicher Eigenthümlichkeiten keineswegs ausschließt. 
10) Einstweilen ist nach Kräften vorzüglich dahln zu wirken, daß die 
Schranken, welche in den einzelnen Landeskirchen die freie Lehrbewegung noch 
hemmen, beseitigt, und daß der Gleichberechtigung der verschiedenen auf dem 
Grunde des Evangeliums stehenden Richtungen, namentlich der wissenschaft- 
lich freien mit der sog. bekenntnißmäßigen, nicht nur kein weiteres kirchen- 
regimentliches Hinderniß in den Weg gelegt, sondern daß dieselbe kirchen- 
rechtlich anerkannt werde.“ 
27. Sept. (Württemberg). Landesversammlung der (nationalen) deut- 
schen Partei in Stuttgart. Dieselbe beschließt: 
„1) Der Eintritt in den norddeutschen Bund ist der einzig mögliche und 
wünschenwerthe Weg zur staatlichen Einigung Deutschland's; die Schutz= und 
Trutzbündniß-Verträge mit Preußen, so wie auch die Zoll= und Handels- 
einigung verbürgen, wenn sie auch jenem Zwecke noch nicht ganz genügen, 
wenigstens im Kriegsfalle und auf wirthschaftlichem Wege die nationale Ver- 
bindung des Südens mit dem Norden. Wir erwarten von unserer Volks- 
vertretung unbedingte Genehmigung dieser Verträge. Eine Verwerfung des 
Zollvereinsvertrages würde dem Lande nicht nur die reiche Entwicklung ent- 
ziehen, welche die längst ersehnte Zollvereinsreform in Aussicht stellt, sondern 
die mühsam errungene Grundlage unseres Handels= und Gewerbslebens
	        
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