Die süddeutschen Staaten. 227
III und IV des Entwurfs der Verfassung des norddeutschen Bundes als
Basis der Verhandlungen über Feststellung dieser Angelegenheiten anerkannt
werden. Soweit diese Angelegenheiten nicht zum Voraus im Wege des Ver-
trags durch Bundesgrundgesetz geordnet werden könnten, sollten sie durch
einen erweiterten Bundesrath unter Mitwirkung im Norden-des Reichstages,
im Süden der Ständekammern der einzelnen Staaten geordnet werden.
Dießseits wurde vorgeschlagen, die gemeinsamen Angelegenheiten der Art. III
und IV der norddentschen Bundesverfassung in einem durch Hinzutritt von
Vertretern der süddeutschen Staaten verstärkten Bundesrath und Reichstag
regeln zu lassen, wie dieß nun für die Angelegenheiten des Zoll= und Han-
delsvereines festgestellt ist. Sie ersehen hieraus, daß Verhandlungen zwischen
den süddeutschen Staalen über Bildung eines weiteren Bundes mit dem
norddeutschen Bund stattgefunden haben, daß man sich über Einleitung von
Verhandlungen mit dem norddeutschen Bunde und über die Idee eines wei-
teren Bundes, aber noch nicht über die Grundlagen der Verfassung dieses
Bundes verständigt hatte. Die banyerisch-württembergische Ministerial-Erklä-
rung enthält, die zweile Frage des Herrn Interpellanten betreffend, auch
einen Satz über das Verhältniß des weiteren Bundes zu Oesterreich, mit
welchem eine entsprechende Verbindung angestrebt werden sollte, falls solche
nscht gleichzeitig mit Abschluß des Bundesvertrags zu erreichen sei. Ueber
diesen Artikel hat sich die großh. Regierung noch nicht geäußert, weil sie erst
nachträglich mit Note des Fürsten Hohenlohe vom 1. Juni von der schließlich
zwischen Bayern und Württemberg vereinbarten Fassung dieses Artikeks
Kenntniß erhielt, und weil für dieses Verhältniß nur die Stellung maß-
gebend ist, welche Preußen und der norddeutsche Bund zu Oesterreich und
dieses zu jenem einnimmt und einzunehmen gedenkt. Dieses würde sich wohl
bei den ferneren Verhandlungen ergeben haben. Als Bedingung der Grün-
dung des weiteren Bundes mit Norddeutschland ist die vorgängige oder gleich-
zeitige Ordnung des Verhältnisses zu Oesterreich nicht gesetzt- und es scheint
auch in dieser Fassung von einer Allianz mit Oesterreich nicht die Rede zu
sein. Der bayerische Staatsminister hat endlich seine persönliche Ueberzeugung
dahin ausgesprochen, es sei weder politisch correct, noch zweckmäßig, noch in
friedlicher Weise durchführbar, daß einzelne süddeutsche Staaten mit Nord-
deutschland in nähere Verbindung treten. Wir haben diese Ueberzeugung eines
hervorragenden und gewissenhaften deutschen Staatsmannes zu achten, und
wir nehmen an, daß die Gründe, auf denen sie beruht, je nach den gegebenen
Verhältnissen von Gewicht sein können. Wir haben schon wiederholt unsere
gegentheilige Ueberzeugung ausgesprochen, deren Verträglichkeit mit den Ni-
kolsburger Präliminarien und dem Prager Frieden und deren Ueberein-
stimmung mit Art. 79 der norddeutschen Bundesakte nachgewiesen. Jene
Ueberzeugung des bayerischen Staatsministers beruht wohl nur auf einer von
der unserigen abweichenden Auslegung der genannten Staatsverträge und auf
allgemeinen politischen Anschauungen über die Lage der Dinge in Mitteleuropa.
Besondere Vorgänge, insbesondere Aeußerungen betheiligter oder fremder
Mächte in politischen Verhandlungen oder diplomatischen Aktenstücken, auf
welche sich die ausgesprochene Ueberzeugung stützen könnte, sind uns nicht
bekannt. Die großh. Regierung glaubt, daß der Augenblick kommen werde,
welcher den süddeutschen Staaten gestattet, sich als vollzählende Glieder dem
sich neu gestaltenden Deutschland anzuschließen; sie ist bemüht, durch Hand-
lungen die Voraussetzungen zu schaffen, welche unser Land berechtigen werden,
die nationale Einigung zu verlangen; sie wird sich aber glücklich schäten,
wenn diese Einigung mit dem Norden in Gemeinschaft mit den Nachbarn
südlich vom Main erfolgen kann, und wird bis dahin stets, wie in den frag-
lichen Verhandlungen, zu jedem einleitenden Schritt im Verein mit den
übrigen süddeutschen Regierungen bereit sein.“
15“