Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
230                            Die sũddeutschen Staaten. 
Schein der Untreue von ihm abzuwenden. Zu diesem Behuf schildert der 
Minister die Parteien und deren Stellung bis zum Jahre 1866 hinsichtlich 
der deutschen Frage. Die Geschichte habe nun aber auch gesprochen, und es 
sei die deutsche Frage durch einen blutigen Kampf gelöst worden. Die An- 
erkennung der Thatsache sei uns in dem Frieden dictirt, von dieser Grundlage 
aus müsse er handeln; wenn nicht, so müßte er sich einen Träumer nennen. 
Deutschland habe ein schönes Glied verloren; nun sei die Frage an uns ge- 
treten, ist Deutschland todt? Er könne nicht warten bis ein gütiges Geschick 
die Dinge wieder wende; vielmehr habe er sich fragen müssen: was zu ge- 
schehen habe, um das, was übrig geblieben, weiter zu entwickeln. Sofort 
sucht der Minister die Consequenzen zu ziehen aus dem Ständpunkte der 
Gegner. Die unmöglichste Eventualität sei ein Verbleiben im. Anschluß an 
Oesterreich, darüber wolle er nicht weiter sprechen; das zweite sei der viel- 
besprochene Südbund, das Lieblingskind des Abg. von Hall; er und Herr 
v. d. Pfordien haben Anfangs gehofft, daß das Königreich Sachsen und eine 
schöne Gruppe, Frankfurt, Nassau, verbleiben könnten für einen solchen Verband. 
Man wisse, wie es gegangen sei. Die Voraussetzung zu einem solchen Ver- 
band sei eine gewisse Zuneigung; er frage aber: wie es hätte gelingen sollen 
die westlichen Nachbarn (Baden) in den Schooß eines Südbunds zu bringen. 
Bei Bayern komme die Schwierigkeit der Rheinpfalz hinzu. Er führe die 
Herren nun in das eigene Land, in den eigenen Saal, und frage: wie viel 
verschiedene Ansichten sind nur in diesem Saal? Dieser Südbund, welchen 
Zweck müßte er denn haben? Die Neutralität, sage man. Zu diesem Behuf 
geht der Minister auf die Geschichte ein, zunächst auf die Staaten, welche 
eine garantirte Neutralität haben, die Schweiz, für deren Neutralität das 
neutrale Gebiet von Savoyen, das von Frankreich incorporirt worden, ein 
schlagendes Beispiel sei; Krakau; Luxemburg, über dessen Neutralität man 
die Auslegung im englischen Parlamente kenne; Belgien, welches Antwerpen 
mit einem Aufwand von 100 Mill. zu einer Festung gemocht habe. So 
sehe dieser Staat die Neutralität an. Uns aber habe Niemand die Neutra- 
lität angeboten. Man sage wohl, man setze Gut und Blut ein; aber wie 
stehe es mit der That, mit der Opferwilligkeit? Diejenige Kraft der Ent- 
sagung, diejenige Opferwilligkeit, welche eine solche Stellung verlange, finde 
man bei uns — es sei ihm leid zu sagen — nicht. Es bleibe demnach 
übrig, daß Württemberg, Baden und Bayern jedes für sich handle. Wenn 
Gefahren drohen, dann frage es sich: wär' es nicht sehr möglich, daß die 
Kleinmüthigkeit in den kleinen Staaten den europäischen Intriguen Thür 
und Thore öffne? Wenn in einem solchen Fall die Kleinstaaten sich charak- 
terlos benehmen, so liege es nahe, daß die Großstaaten über den kleinen sich 
die Hand bieten und sie als Ausgleichungsobject benützen. Man möge zurück- 
sehen auf die Geschichte! Wenn das Alles so sei. so führe dieser Standpunkt 
des Aufgebens der Nationalität mit absoluter Logik zu einem Anschluß an 
rankreich, was eine nationale Unmäöglichkeit sei. Was habe anderes übrig 
leiben können, als sich umzusehen nach demjenigen Staat, welcher der größte 
in Deutschland sei, nach Preußen. Allerdings, wer sagen könne, Preußen sei 
der größte Feind von uns, der habe nicht auf diesen Gedanken kommen können. 
Er frage nun, was der Allianzvertrag sei? Er sage ausdrücklich: derselbe sei 
abgeschlossen worden zur Vertheidigung der Integrität Deutschlands. Man 
habe gegenseitig mit einander abgeschlossen. in der Absicht, den Vertrag treu 
und redlich zu halten, und so lange er im Rathe der Krone sei, werde er 
dafür einstehen, daß er loyal und treu gehalten werde. Daß aber die Frage, 
ob man eine Cognition über den casus foederis habe, eine unzweifelhaft zu 
bejahende sei, das wolle er beweisen. Die Regierung sei von Preußen gefragt 
worden, ob sie den Fall von Luxemburg als casus foederis ansehe. Die 
Antwort von uns sei ergangen: man müsse erst die betreffenden Verhältnisse 
kennen und würdigen. Diese Antwort sei auch genügend ersunden worden.
	        
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