Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

                 Die süddeutschen Staaten.                          231 
Der Minister spricht sosort über den Charakter des Vertrags. Der König 
von Preußen habe über die strategischen Bewegungen. des Heeres zu dispo- 
niren, aber mehr stehe ihm nicht zu. Es sei behauptet worden, daß die 
Militärlast eine außerordentlich große werde; aber wir müssen ein gutes Heer 
unterhalten, wenn wir nicht die Ersahrungen machen wollen, die man im 
vorigen Jahre gemacht habe. Der Minister verliest ein Aktenstück vom Grafen 
v. Bismarck, in welchem derselbe über das Princip der allgemeinen Wehr- 
pflicht und dessen Vortrefflichkeit sich ausspricht, im übrigen die Regelung 
des Militärwesens zunächst den süddeutschen Staaten anheimgibt, und nur 
andeutet, daß weitere Vereinbarungen hierüber geschlossen werden sollen. Die 
Kammer werde demnach wohl aus eigenem Antriebe dafür zu sorgen haben, 
sagt der Minister, daß ein gutes Militärsystem durchgeführt werde. Der 
Allianzvertrag an und für sich nöthige sie hiezu nicht. Er sei von Sr. Maj. 
dem König nach Anhörung des Geheimenraths zu der Erklärung ermäch- 
tigt: daß die in dem Antrage der Abgeordneten Zeller, Duvernoy, Rödinger, 
v. Mehring zu der Genehmigung des Allianzvertrags beantragten Voraus- 
setzungen vollständig begründet seien. Von. Seiten der Gegner habe man 
diesen Allianzvertrag mit einer großen Leichtigkeit verwandelt in einen Ein- 
tritt in den norddeulschen Bund. Die Regierung habe aber den Vertrag ab- 
geschkossen, um ein gewisses Verhältniß zum Norden zu erhalten, aber nicht 
um in den Nordbund einzutreten. Man habe sich in das naturgemäße Ver- 
hältniß zu Preußen gesetzt. Man könne den nationalen Gedanken nicht todt- 
schlagen. Der Minister wendet sich zu der Frage bezüglich Deutschösterreichs, 
und sagt: die Deutschen in Oesterreich wünschen, daß ihre Stammesgenossen 
das Bild der Kraft und der Einheit darbieten, und es erscheine diese An- 
schauung auch ganz naturgemäß, denn durch einen großen Bund in Deutsch- 
land erhalten die Deutschösterreicher einen sichern Halt gegen die slavischen 
Bestrebungen. Der Minister kommt auf die Verhandlungen zu sprechen, 
welche von Württemberg, Bayern und Baden gepflogen worden sind zur Re- 
gelung ihrer Verhältmifse mit dem Nordbund, insbesondere hinsichtlich des 
Zollvereins. Man habe sich dahin verständigt, daß keiner ohne den andern 
sich in die Verhandlungen einlassen solle, aber ausdrücklich haben die Regier- 
ungen der süddentschen Staaten ausgesprochen, daß an diese Verhandlungen 
sich anschließen solle die Vereinbarung eines freundlichen Verhältnisses mit 
Oesterreich. Der Minister kommt nun zu der Frage: in welchem Zusammen- 
hang unter sich der Allianzvertrag und der Zollvereinsvertrag stehen. Er sagt: 
beide Verträge stehen in einer nothwendigen Wechselwirkung; der Bündniß- 
vertrag bilde einen integrirenden Theil des Zollvertrags, und stehe noch weiter 
im engsten Zusammenhang mit dem zu gleicher Zeit abgeschlossenen Friedens- 
vertrage. Im Uebrigen mögen die Mitglieder des Hauses dieß nicht als eine 
Pression ansehen. Er betrachte den Vertrag als einen für Württemberg 
günstigen, er stehe nicht vor der Kammer, um sie um Verzeihung zu bitten; 
er habe die Ueberzeugung einen guten Vertrag geschlossen zu haben. Was er 
gesprochen habe, habe er zugleich im Namen seiner Herren Collegen gesprochen. 
„Das Haus mag entscheiden. Ich erwarte festen Muths den Richterspruch 
der Geschichte Württembergs.“ 
30. Oct. (Bayern). Fürst Hohenlohe und Frhr. v. Thüngen kehren, 
wie erwartet wurde, unverrichteter Dinge von Berlin zurück, da 
Preußen das Ansinnen mit ausdrücklicher Hinweisung auf die öffent- 
liche Meinung in ganz Deutschland und auf den bezüglichen Beschluß 
bes nordd. Reichstags entschieden abgelehnt hat. 
Die II. Kammer beschließt mit allen gegen 12 Stimmen unter 
Namensaufruf „der von der Kammer der Reichsräthe beschlossenen
	        
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