Die süddeutschen Staaten. 237
wählt wird. So gewiß das allgemeine directe Stimmrecht seine Berechtigung
darin hat, daß der Staat jedem, auch dem keine directe Steuer zahlenden
Angehörigen Pflichten und Leistungen für den Staat auferlegt, so wenig folgt
aus der Anerkennung der Richtigkeit dieses Grundsatzes das, daß die nach
dem allgemeinen Stimmrecht Berufenen allein berufen und berechtigt sind,
bei der Entscheidung über Finanzfragen mitzuwirken und diejenigen von der
Entscheidung auszuschließen, welche hiezu seither vorzugsweise den Beruf
hatten. Sind die Leistungen an den Staat doppelte, persönliche und Leistungen
an Geld, und haben die Landesvertretungen ihre Entstehung wie ihre innere
Berechtigung wesentlich der letzteren Leistung zu verdanken, so ist damit die
Nothwendigkeit der Berücksichtigung der höheren Steuerkrafst bei der Ver-
tretung des Landes von selbst dargethan. Aber auch die Kirche hat ihre
Vertretung in der 2. Kammer zu fordern, weil ihr Eigenthum unvermischt
mit dem Staatsgut verwaltet wird und die in der Verfassungsurkunde in
Aussicht genommene Ausscheidung des Kirchenvermögens aus dem Staatsgut
jetzt nach den mannigfachen Veränderungen, die mit demselben vorgegangen
sind, in gerechter Weise geradezu als eine Unmöglichkeit bezeichnet werden
darf. Ihre Organe haben auch dieses Recht der Vertretung in der zweiten
Kammer ausdrücklich in Anspruch genommen. Dagegen war dem Charakter
der zweiten Kammer entsprechend auch für die Kirche die Forderung zu stellen,
daß ihre Vertreter, soweit sie in der zweiten Kammer ihren Sitz einnehmen,
aus der Wahl der hiefür nach der Kirchenverfassung geeigneten Organe her-
vorgehen, und es ist die Art und Weise ihrer Wahl in vollem Einvernehmen
mit den kirchlichen Organen, insbesondere, was die katholische Kirche betrifft,
mit deren Landesbischof geregelt worden. In der ersten Kammer findet die
Beibehaltung des Landstandschaftsrechtes der Mitglieder des königl. Hauses
und der Standesherren in den gegebenen Verhältnissen ihre Begründung.
Daß hiebei der seither der zweiten Kammer zugewiesene Vertreter der Landes-
universität und drei Vertreter der beiden Kirchen ihren Sitz in der ersten
Kammer einnehmen sollen, wird eben so wenig einer näheren Rechtsertigung
bedürfen, als der Vorschlag, nach dem Vorgange anderer Verfassungen und
in Uebereinstimmung mit dem der bestehenden Verfassung zu Grunde liegenden
Prinzip den größeren Städten des Landes eine besondere Vertretung in der
ersten Kammer durch von der Gemeindevertretung zu erwählende Abgeordnete
einzuräumen. Der Ausgabe und Bedeutung der ersten Kammer entsprechend,
sollen diesen Mitgliedern 8 von den Kreisversammlungen gewählte und 10
von dem Könige je für die Dauer einer Wahlperiode ernannte Mitglieder
hinzutreten. Diese beiden Vorschläge werden eben so wenig einer eingehenderen
Auseinandersetzung bedürfen, als der in dem Rechte begründete Antrag, daß
jedem der bereits ernannten lebenslänglichen Mitglieder sein Sitz in der
ersten Kammer gewahrt bleibt. Das Recht der Stellvertretung endlich, das
bis jetzt für die erblichen Mitglieder der Kammer in sehr ausgedehnter
Weise besteht, soll in der seinem Zweck entsprechenden Weise auf die Ver-
tretung durch den nächsten Agnaten beschränkt, gleichzeitig aber dem katho-
lischen Landesbischof das Recht eingeräumt werden, an seiner Stelle den
Generalvikar abzuordnen.“
23. Dec. (Baden). Der Erzbischof von Freiburg und die von ihm
berathenen Decane entscheiden sich neuerdings gegen eine Betheiligung
der Geistlichen an den Localschulbehörden.
27. „ (Württemberg). II. Kammer: Die Regierung legt der-
selben einen Gesetzesentwurf betr. Reform der Verwaltungsorgani-
satien vor.
28. „ (Württemberg). Zwei kgl. Verordnungen führen eine evan-