Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Ochkterreich. 
zur Discussion kommen. Diese Behandlungsweise scheint uns das beste Mittel 
darzubieten, um zu einem Resultat zu gelangen, das einmal erreicht, der 
Pforte mit der ganzen Autorität, die der einmüthigen Anschauung Europas 
zukäme, überreicht würde. Indem wir uns dießfalls so bestimmt ausdrücken, 
wollen wir keineswegs bezüglich der Form vorgreifen, die für angemessen er- 
achtet werden möchte, um den Vorschlägen der Conferenz bei der h. Pforte 
Eingang zu verschaffen. Es versteht sich von selbst, daß diese Form derart 
sein müßte, so weit möglich die Autorität der Pforte zu schonen und ihre 
Zustimmung zu erleichtern. Allein Angesichts der Gefahr, die beschworen 
werden soll, wäre der Zweck, den man erreichen will, von vorneherein ver- 
fehlt, wenn bezüglich der Wirksamkeit einer solchen Intervention Europas 
auch nur der geringste Zweisel obwalten könnte. Die Arbeit, welche die 
Mächte auf diese Art übernähmen, wäre allerdings keine leichte und vor allem 
aus müßten sie sich hüten, Combinationen, die, nach Race, Religion, Stand 
der Civilisation und materiellen Interessen so verschiedenen Gegenden ange- 
paßt werden sollen, gleichsam nach demselben Muster herausschneiden zu wollen. 
Es müßte darum auch ’reiflich erwogen werden, durch welche Mittel und 
Wege man sich über die Bedürfnisse jeder Provinz in's Klare setzen könnte. 
Wir meinten, es wäre das beste, damit die Organe aller bei der Frage inter- 
essirten Regierungen zu betrauen, welche in jeder Provinz diejenigen Männer 
zu consultiren hätten, welche als Specialitäten gelten und deren Unparteilich- 
keit und Einsicht anerkannt wäre.“ Ein zweiter Punkt sei, sich die loyale 
und aufrichtige Mitwirkung aller Mächte zu sichern, namentlich auch diejenige 
Rußlands, dem durch den Pariser Vertrag gewisse Fesseln gegenüber der 
Türkei auferlegt worden seien, die, wie sehr bestimmt angedeutet wird, nicht 
aufrecht erhalten werden könnten. Schließlich wird erörtert, daß es zweck- 
mäßiger sein dürfte, einen Repräsentanten der Pforte zu den Conferenzen 
nicht zuzuziehen. „Wir denken, die Pforte würde dankbar die Maßregeln 
annehmen, welche die garantirenden Mächte für geeignet halten werden, um 
einen dauernden Zustand der Dinge auf der Balkanhalbinsel herzustellen.“ 
Dieselbe wäre dagegen auf der anderen Seite gegen alle insurrectionellen 
Versuche, die sie bedrohen, sorgsam zu schützen, was, wie die Depesche meint, 
für sie unendlich viel werthvoller wäre, als selbst zu den Conferenzen zu- 
gezogen zu werden. Herr v. Beust wünscht dringend die Meinung der Re- 
gierung des Kaisers Napoleon über diese Ansichten zu kennen, da er beab- 
sichtige, die Depesche auch den Cabinetten von BVerlin, Florenz, London und 
Petersburg mitzutheilen. " 
Die Anregung findet von Seite Frankreichs und der andern 
Mächte keinerlei Unterstützung; selbst Rußland findet sich nicht ver- 
anlaßt, daran irgendwie anzuknüpfen. 
2. Jan. Ein kais. Patent beruft einen „außerordentlichen Reichsrath" 
ein, um die mit Ungarn eingeleiteten Verhandlungen behufs eines 
Ausgleichs in der Verfassungsfrage zum Abschluß zu bringen: 
Wir Franz Joseph 2c. Auf Grund des Patents vom 20. Sept. 1865 
hat Unsere Regierung, zur Ausgleichung widerstreitender Rechtsansprüche in 
Betreff der verfassungsmäßigen Institutionen des Reichs, die Verhandlung 
mit den Vertretern der Länder Unserer ungarischen Krone eingeleitet. Im 
inblick auf den Stand dieser Verhandlung und in der Absicht eine gründ- 
liche, allseits gerechte und möglichst beschleunigte Lösung der hochwichtigen 
Aufgabe zu erzielen, haben Wir beschlossen die Vertreter Unserer anderen 
Königreiche und Länder zur Mitwirkung zu berufen. So gern Wir geneigt 
sind den Rechtsanschauungen der einzelnen Bestandtheile des Kaiserstgats 
nsere Beachtung zuzuwenden, so betrachten Wir es doch als Unsere heiligste 
Pflicht hiebei den gesicherten Bestand der Monarchie und deren Gesammt-
	        
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