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Oeslerreich.
Die öffentliche Meinung in den deutschen Theilen des Reichs
spricht sich sofort sehr entschieden gegen diesen Schritt des Ministe-
riums Belcredi aus.
Die sistirte Februarverfassung soll dadurch wesentlich ganz beseitigt und
auf die historisch -politischen Individnalitäten des Octoberpatentes zurück-
gegrissen werden. Die Landtage sollen nämlich bei ihren Wahlen in den
„außerordentlichen Reichsrath“" nur bezüglich der Zahl ihrer Vertreter an die
Bestimmungen der Februarversassung gebunden sein, nicht aber auch bezüglich
der Wahlordnung, die sie vielmehr nach dem ausdrücklichen Zugeständniß der
offiziellen Wiener Ztg. beliebig sollen abändern können, wodurch es den sla-
vischen Majoritäten in Böhmen, Mähren 2c. in die Hand gelegt wird, die
Deutschen durch Wahlen aus dem Plenum statt nach Curien von der Ver-
tretung im Reichsrath ganz auszuschließen. Nach dem Wortlaute der Fe-
bruarverfassung dagegen fiel eine Abänderung der Wahlordnung nicht in die
Competenz der Landtage, sondern des Reichsraths.
4. Jan. (Böhmen). Das deutsche Landtagswahlcomité entscheidet sich
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für Festhalten an der Februarverfassung, und daß demnach die
deutschen Abgeordneten im böhmischen Landtag sich an den Wahlen
in den außerordentlichen Reichsrath nicht betheiligen und allfällig
auf sie fallende Wahlen nicht annehmen sollten.
„ Der Kaiser nimmt die Neujahrswünsche einer zahlreichen Depu-
tation des ungarischen Landtags entgegen. Der Hauptzweck der
Deputation ist indeß, die eingeleiteten Ausgleichsverhandlungen mit
dem Ministerium weiter zu führen und wo möglich zum Abschluß
zu bringen. Zu diesem Ende hin finden im auswärt. Amt Con-
ferenzen statt, an denen außer Beust, Belcredi und dem ungarischen
Hofkanzler Majlath auch Lonyey, Andrassy und Eötvös Theil nehmen.
„ Ein Erlaß Belcredi's an die Statthalter der verschiedenen Kron-
länder erklärt, die Regierung erwarte, daß die Beamten die Regie-
rung bei den bevorstehenden Wahlen unterstützen würden, und daß
sie ein entgegengesetztes Benehmen nicht dulden werde. Die Statt-
halter insinuiren den Ministerialerlaß ihren Beamteten, der Statt-
halter von Tyrol, v. Toggenburg, mit der näheren Erläuterung,
„die Regierung halte sich zur Erwartung berechtigt, die Beamteten
würden auf keinen Fall solchen Männern ihre Stimme geben, von
denen vorauszusetzen sei, daß sie für die Nichibeschickung des außer-
ordentlichen Reichsraths sich aussprechen werden.“
„ Eine Versammlung der hervorragendsten Führer der deutschen
und liberalen Partei in den verschiedenen Kronländern beschließt
unter dem Vorsitze des Fürsten Colloredo einstimmig, es sei mit allen
gesetzlichen Mitteln dahin zu wirken, daß die Landtage:
1) die Wahl für die mit Patent vom 2. Jan. einberufene außerordent-
liche Reichsrathsversammlung ablehnen, hingegen 2) auf Grund und nach
Vorschrift des Reichsrathsstatuts und der Landesordnungen vom 26. Febr.
1861 die Wahlen in das Abg.-Haus des legalen Reichsraths und jene der
Landesausschüsse vornehmen.
„ Die ungarische Deputation kehrt nach Pesth zurück und berichtet