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Oesterresch.
selben in Aussicht stellen. Als Vorbedingung für die praktische Durchführung
des Ausgleichs erschien die Ernennung eines verantwortlichen ungarischen
Ministeriums. War es nun ein Gebot der politischen Nothwendigkeit, mit
dem definitiven Ausgleiche Ungarn gegenüber nicht länger zu zögern, so ver-
mochte sich auch die Regierung darüber einer Täuschung nicht hinzugeben.
daß das ungarische Ministerium eine vereinbarte Grundlage des Ausgleiches
vor dem ungarischen Landtage vertreten müsse. Hiedurch war der Grund-
gedanke, welcher bei der Berusung des außerordentlichen Reichsrathes vor-
gewaltet hatte, überholt, und es trat die wichtige Frage heran, ob bei dieser
Sachlage nicht im Interesse des Reiches von der Berufung des außerordent-
lichen Reichsrathes abzugehen sei. Die Regierung mußte sich, von folgenden
maßgebenden Gesichtspunkten geleltet, für die Bejahung dieser Frage ent-
scheiden: Seit einer langen Reihe von Jahren krankt die constitutionelle Or-
ganisation der Monarchie an diesen unlösbar gebliebenen Widersprüchen
zwischen den Rechten der ältern Verfassung Ungarns und den freiheitlichen
Institutionen, deren Durchführung in der Gesammtmenarchie der Kaiser sich
zur Lebensaufgabe gemacht hat. Vor Behebung dieses Conflictes ist die
Wiederherstellung der Größe und der altgeschichtlichen Stellung des Kaiser-
staates in dem europäischen Staatensysteme nicht zu erhoffen. Bei den durch
die letzten unheilvollen Ereignisse geschaffenen Verhältnissen ist jede Ver-
zögerung des Ausgleiches mit den entschiedensten Nachtheilen verbunden. Tritt
der Ausgleich jedoch in's Leben, so erscheint zugleich der Zweck erreicht,
welcher der mit dem Septemberpatent ausgeführten Sistirung zu Grunde
lag. Diese wegen der Einleitung einer Verständigung mit Ungarn ergriffene
Maßregel ist fortan nicht mehr nothwendig, die Rückkehr in die verfassungs-
mäßigen Bahnen ist von selbst gegeben, und der Regierung ist Gelegenheit
geboten, dem versammelten Reichsrathe über die gepflogene Verhandlung Auf-
schlüsse zu ertheilen und ihre Schritte zu rechtfertigen. Der Kaiser hat dem-
nach mit Entschließung vom 4. Februar verordnet, daß von der Einberufung
des außerordenilichen Reichsraths abzukommen sei, und daß der verfassungs-
mähige Reichsrath am 18. März in Wien zusammentrete, und demselben die
rücksichtlich des Ausgleichs mit Ungarn nothwendigen Verfassungsänderungen
zur Annahme vorgelegt werden. Dem Reichsrathe sollen sofort noch die
Gesetzentwürfe über die Deputirtenentsendung in die Berathungskörper für
gemeinsame Angelegenheiten, für Minister-Verantwortlichkeit, Modifizirung
des § 13 des Februarpatentes, Erweiterung der verfassungsmäßigen Auto-
nomie der Länder, eine Wehrverfassung, Verbesserung der Rechtspflege und
Hebung der Interessen der Volkswirthschaft vorgelegt werden. Die Regierung
hofft zuversichtlich, daß die Landtage sofort zur Wahl der Mitglieder für den
versassungsmäßigen Reichsrath schreiten und hiedurch beitragen werden, die
nur allzulange fortlaufende Verfassungskrisis zu beenden.“
18. Febr. (Ungarn). Landtag: Im Unterhause wird das kgl. Rescript
19.
verlesen, das der Bitte wegen Sistirung des Wehrpatentes vom
28. Dec. 1866 willfahrt, indem es dasselbe der verfassungsmäßigen
Behandlung zuweist und die Herstellung der Verfassung so wie die
Einsetzung eines verantwortlichen ungarischen Ministeriums verspricht,
indem Graf Andrassy zum Ministerpräsidenten ernannt wird, mit dem
Auftrage, dem König eine Ministerliste vorzulegen. Die Verlesung
wird von schallenden Eljenrufen begleitet.
t„ (Croatien). Mehrere Municipien beschließen in ihren General=
versammlungen, das ungarische Ministerium für Croatien nicht an-
zuerkennen und verwerfen das Heerergänzungsgesetz als verfassungs-
widrig erlassen.