Oeslerreich. 257
5. April. (Ungarn). In Folge von Differenzen zwischen der über-
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wiegend magyarisch gesinnten Bevölkerung und den croatischen Be-
hörden von Fiume wird Hr. v. Cseh als k. Commissär dahin gesandt.
„ Depesche Beust's an den österr. Gesandten in München über
die Idee eines neuen Staatenbundes zwischen den süddeutschen
Staaten mit dem norddeutschen Bunde und einer völkerrechtlichen
Allianz mit Oesterreich:
„In einer vertraulichen Unterredung hat der königlich bayerische Herr Ge-
sandte mir über die Ansichten und Wünsche seines Hofes in der deutschen
Frage gewisse weitreichende Andeulungen gegeben, die ich der persönlichen
Kenntniß Ew. nicht vorenthalten zu sollen glaube. Ich hatte aus seinen
Acußerungen, die ihm ohne Zweifel von München aus aufgetragen waren,
im Wesentlichen etwa Folgendes zu entnehmen: Bei den bloßen Allianzver-
trägen der einzelnen süddeutschen Staaten mit Preußen meint man in
München nicht mehr lange stehen bleiben zu können. Man wünscht die Re-
construction eines engeren Föderativverhältnisses, und trägt sich daher von
Neuem mit dem Gedanken, zunächst die süddeutschen Staaten unter sich zu
einem möglichst starken und festen Bunde zu vereinigen, dann aber zwischen
den beiden Föderationen zur Wahrung der nationalen Interessen einen neuen
Staatenbund zu errichten. Dieser neudeutsche Bund soll alsdann mit Oester-
reich in eine völkerrechtliche Allianz treten, und es soll auf diese Weise für
Deutschland der, wie es scheint, bisher vermißte Ersatz für die Garantien
gefunden werden, welche in den älteren Bundesverträgen enthalten waren,
durch die Ereignisse des vergangenen Jahres aber ihre Geltung verloren
haben. Es ist nach diesen Eröffnungen anzunehmen, daß Fürst Hohenlohe
sich zu versichern wünscht, ob er sich der Verwirklichung eines solchen Pro-
grammes mit der Hoffnung auf Oesterreichs Zustimmung und Entgegen-
kommen, sonach mit aller erdenklichen Beruhigung widmen und hingeben
könne. Zuvörderst war es mir, wie Ew. begreifen, nicht möglich, dem ktgl.
Herrn Gesandten den Ausdruck meiner Verwunderung darüber zu ersparen,
daß man sich von Deutschland aus so rasch wieder an jenes Oesterreich wende,
welches man seiner deutschen Fragen so gründlich entledigt, ja dessen Aus-
scheiden aus dem Bunde man durch feierliche Verträge für die Hauptbedin-
gung der künftigen Gestaltung Deutschlands erklärt habe. Ich beschränkte
mich im Uebrigen auf einige wenige allgemeine Betrachtungen, da Herr Graf
v. Bray ohnehin für den Augenblick eine Aeußerung von irgendwie binden-
den Charakter sicher nicht von mir erwarten konnte. Ueber das Verhältniß
zwischen Preußen und Süddeutschland konnte und wollte ich keinen Ausspruch
thun, durch welchen irgend ein Grad von Verantwortlichkeit für ein weiteres
Hinausgehen über die bereits durch die Augustbündnisse beeinträchtigten Ver-
fügungen des Prager Friedensvertrages auf das kaiserliche Cabinet über-
tragen worden wäre. Auf die dießfalls in Berlin und München anzustellen-
den Erwägungen wünschen wir in keiner Richtung Einfluß zu nehmen. Als
eine einfache Interessensrage, und zwar als eine solche vom höchsten Range,
mußte ich dagegen die Frage einer Allianz Oesterreichs mit einem von
Preußen geleiteten neudeutschen Bunde bezeichnen. Weder Leidenschaften,
noch Gefühle, noch historische Erinnerungen, — seien es die des Jahres
1866 oder die des vergangenen Jahrtausends, — werden unsere künftigen
Entschlüsse bestimmen, sondern es wird uns in erster Linie auf die Sicher-
heit, und in zweiter Linie auf den Vortheil der österreichischen Monarchie
ankommen. In Verhältnisse, die uns Verbindlichkeiten und Lasten ohne die
vollste Gegenleistung auferlegen würden, kann sich der Kalserstaat selbst zu
Gunsten seiner ehemaligen deutschen Bundesgenossen nicht mehr einlassen.
Wenn in der Sprache und den Handlungen der deutschen Regierungen
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