Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Orslerreich. 
letzteren eingeladen werden, dieser Punctation beizutreten. Ich unterlasse 
nicht, beide Actenstücke Ew. zu persönlicher Kenntnißnahme mitzutheilen. Wie 
Ihre Berichte es uns angekündigt haben, hat Graf Bray mir den Wunsch 
seiner Regierung zu erkennen gegeben, vor der wirklichen Anknüpfung der 
Unterhandlungen mit Preußen unsere Ansicht über dieses Programm zu er- 
fahren und wo möglich unserer Zustimmung zu demselben versichert zu 
werden. Bei aller Würdigung der Molive, aus welchen dieser Wunsch her- 
vorgeht, und bei aller Empfänglichkeit für das uns erzeigte Vertrauen hake 
ich dem königlich bayerischen Gesandten auch bei diesem Anlasse nur wieder- 
holen können, daß die Lage in Deutschland von gewissen Wahrheiten beherrscht 
wird, die man bedauerlich finden, aber nicht ohne gesährliche Folgen aus den 
Augen verlieren kann. Eine solche Wahrheit ist es, daß den Bestrebungen, 
welche Bayern im gesammtdeutschen Interesse, wie im Interesse der eigenen 
Sicherheit versolgen zu können wünscht, die Bestimmungen des Prazer 
Friedensvertrages entgegenstehen. Die Allianzverträge der süddeutschen Slaaten 
mit Preußen haben diese Bestimmungen, noch ehe sie geschrieben waren, ver- 
letzt, und ich habe unmöglich verkennen und verschweigen können, daß das 
Project, welches die Unterschriften des Fürsten von Hohenlohe und des Frei- 
herrn von Varnbüler trägt, diesen Widerspruch noch bedeutend verschärsen, 
und vollständiger zur Erscheinung bringen würde. Von einem süddeutschen 
Staatenvereine, wie er nach dem Prager Vertrage zwar in eine nationale 
Verdindung mit Norddeutschland eintreten, aber neben demselben in völker- 
rechtlicher Unabhängigkeit bestehen soll, ist in den bayerisch-württembergischen 
Punctationen keine Spur geblieben. Statt dessen stellen dieselben einen 
Organismus auf, in welchem — mit edber ohne gemeinsames Parlament — 
jede selbstständige Regung der vereinzelten süddeutschen Staaten regelmäßig 
in dem Willen der norddeutschen Bundesmacht verschrinden muß. Die Ficlien, 
daß z. B. Südhessen als Bundesglied gleiche Rechte mit dem gesammten 
Nordbunde haben soll, wird hicran offenbar sehr wenig ändern. Was aber 
Oesterreichs Stellung betrifft, so ist es gewiß unseres Dankes werth, daß man 
in München nur im Einverständnisse mit uns vorzugehen wünscht, allein 
der Umstand, daß die bloße Aufforderung an Oesterreich, über die Con- 
stituirung Deutschlands cine Meinung abzugeben, gewissermaßen die Schranken 
des Vertrages überschreitet, durch welchen im verflossenen Jahre der Friede 
in Deutschland hergestellt worden ist, macht für Oesterreich mehr noch als 
die dadurch gebotene Reserre eine recht klare Auffassung der Sachlage und 
eine derselben enisprechende Offenheit der Sprache zur Nothwendigkeit. Dem- 
gemäß habe ich mich gegen den Herrn Grafen von Bray über das Ver- 
hältniß, in welchem wir zu den mit dem Prager Vertrage unrereind#a#e#n 
Thatsachen, vergangenen oder künftigen steben, nechmals mit aller Aufrichtig- 
keit ausgesprochen. Ich habe ihm erklärt, daß Rücksichten der Oppertunitss 
sehr wohl die Regierung Sr. Majestät des Kaisers vorläufig bestimmen 
können, solche Thatsachen zu ignoriren, und daß diese Regierung gerne aus 
den deutschen Sympathieen, welche sie sich kewahrt hat, Einfluß auf ihr Ver- 
halten gestattet, so lange sie nicht die Interessen des eigenen Reiches für ge- 
fährdet halten muß. Das Verlangen dagegen, daß das kaiserliche Cakine#t 
den Allianz-Verträgen, welche es bis jetzt stillschweigend hingenemmen bat. 
und selbst noch weitergehenden Verletzungen des Prager Vertrages seine Zu- 
stimmung ertheilen solle, dieses Verlangen habe ich unumwunten als un- 
erfüllbar bezeichnet, und darauf hingewiesen, daß Oesterreich in seiner Laze 
vielmehr sich sorgsältig hüten müsse, irgendrie durch Wort edher That si 
des Rechtes zu begeben, auf die Verfügungen des Prager Friedenstractaies 
zu gelegener Zeit sich zu berufen. Ferner habe ich dem Grafen Sray rikkt 
verhehlt, daß ich mir nicht zu erklären rermöge, wie man durch die rzze 
Bestimmung des Münchner Programmes, daß eine Allianz mit Oesülerreich 
geschlossen oder angehahnt werden solle, uns zu einer Aenderung unserrr
	        
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