Oesterrtich. 265
Haltung bewegen zu können glaube. Soll unter dem Worte Allianz,
wie dieß der völkerrechtliche Sprachgebrauch will, ein vorübergehendes Bünd-
niß zu bestimmten Zwecken verstanden sein, so ist einzuwenden, daß solche
Zwecke nicht bezeichnet sind, auch dermalen nicht wohl bezeichnet werden
können. Denkt man aber an ein bleibendes Bundesverhältniß, durch welches
die kaiserliche Regierung ihre Freiheit nicht für eine determinirte Action,
sondern unbestimmt und für immer aufgeben würde, und welches anderer-
seits eines der wesentlichen Elemente der politischen Neugestaltung Deüutsch-
lands bilden soll, so müßte man uns erstens von der Verpflichtlung, uns an
dieser Neugestaltung nicht zu betheiligen, feierlich dispensiren, und zweitens
dürfste man nicht übersehen, daß eine Großmacht sich nicht einer andern
unterordnen, nicht fremden Zwecken dienen, an Beschlüsse, die ohne ihr Zu-
thun zu Stande kommen, sich nicht im Voraus binden kann. Ich zweifle,
ob man in München in den Stand gesetzt sei, uns eine gleichberechtigte
Slellung mit Preußen in einem neuen gesammtdeutschen Bunde darzubieten,
— ist dieß aber nicht der Fall, so sind die Staatslenker Oesterreichs ge-
nöthigt, sich auf die volle Freiheit zurückzuziehen, die sie für die früheren
Rechte im Bunde eingetauscht haben. Die Schlußfolgerung, die ich aus allen
diesen Betrachtungen ziehen muß, wenn ich mich in die Lage Bayerns ver-
setze, kann denn auch abermals nur dieselbe sein, die ich bereits mehrfachen
früheren Aeußerungen zu Grunde gelegt habe. Ueber meine Meinung be-
fragt, kann ich in Wahrheit nur sagen, daß ich glaube, Bayern werde wohl
daran thun, in rein zuwartender Stellung zu bleiben und sich weiterer
Schritte, die es über die durch den Prager Vertrag gezogene Linie hinaus-
führen würden, zu enthalten. Oesterreich ist nicht mit Protesten gegen die
Augustverträge aufgetreten, aber man kann sich nicht darüber täuschen, daß
diese Verträge zu der gefahrvollen Spannung der letzten Monate nicht wenig
beigetragen haben. Mit Mühe hat die Londoner Conferenz die mächtig
herangewachsenen Besorgnisse so eben zerstreut, und wir können nicht dazu
rathen, neue Thatsachen zu schaffen, durch welche die kaum verschwundenen
Gewölke nur zu leicht in verstärktem Maße wieder angesammelt werden
könnten. Unsere eigenen Bemühungen für den Frieden haben andererseits
vollkräftig bewiesen, daß wir von unserer Unabhängigkeit keinen für Deutsch-
land nachtheiligen Gebrauch machen wollen, und es erhöht sich dadurch wohl
auch unser Anspruch, daß man uns nicht eine noch mehr erschwerte und von
dem vertragsmäßig ausbedungenen Zustande noch weiter abweichende Situation
gegenüberstelle. Ich kann nicht ermessen, warum unter den jetzigen Um-
ständen für die süddeutschen Regierungen eine Nothlage geschaffen sein sollte,
die ihnen hierin keine Wahl ließe, wohl aber scheint mir in den europäischen
Verhältnissen eine hinreichend deutliche Warnung vor jedem Schritte zu
liegen, durch welchen anstatt der luxemburgischen Frage noch ernstere und
vielleicht durch die bestgemeinte Vermittlung nicht mehr zu beseitigende Con-
flictsfälle zur Tagesordnung befördert werden könnten. Im Vorstehenden
habe ich den wesentlichen Sinn der Antwort aufgezeichnet, welche ich dem
bayrischen Herrn Gesandten auf seine Mittheilung zu ertheilen hatte. Sie
bestätigt zwar nur, was dem königlichen Cabinete bereits früher und nament-
lich auch durch die Berichte des Grasen Tauffkirchen bekannt geworden ist,
doch glaube ich Ew. ermächtigen zu sollen, von der gegenwärtigen Depesche
den königlichen Herrn Minister Fürsten von Hohenlohe vertraulich Einsicht
nehmen zu lassen.“
— Mai. An den Befestigungsarbeiten um Wien wird seit einigen Tagen
mit Eifer gearbeitet.
„ „ Eine zahlreiche Deputation czechischer und südslavischer Oester-
reicher geht nach Rußland ab, angeblich um die am 5. d. M. in