Oesterreich. 269
2. verlangen sie die Einführung der polnischen Sprache in der Schule,
natürlich mit Ausschluß der schon jetzt bestehenden ruthenischen Lehranstalten;
die Gemeinde hätte das Recht, zu bestimmen, in welcher der beiden Landes-
sprachen vorgetragen werden soll; 3. die Einführung der polnischen Sprache
im Amte. Bisher wurde der interne Verkehr zwischen den einzelnen Aemtern
(und Gerichten) in deutscher Sprache gepflogen und auch die Administration
in deutscher Sprache geführt. Dieß hatte namentlich im gerichtlichen Ver-
fahren Verschleppungen im Gefolge, die dem Gange der Justiz abträglich
waren und den Interessen der Bevölkerung zuwiderliefen. Die Polen ver-
langen demnach, daß wenigstens bei den ersten Instanzen im ganzen Ver-
kehr nach Innen wie nach Außen die polnische Sprache eingeführt werde.
An diese als „unerläßlich“ anerkannte „Forderung" schließt sich der Wunsch,
daß die (fünf) Referenten des obersten Gerichtshofes für Galizien als „oberster
Senat“ demnach als selbstständige Behörde nach Lemberg versetzt würden;
4. endlich verlangen die Pelen einen eigenen (nationalen) Unterrichtsrath
für Galizien. Nicht die oberste Leitung des Schulwesens, welche nach wie
vor dem Wiener Unterrichtsministerium zufiele, wäre die Aufgabe dieses
Unterrichtsraths, sondern lediglich der administrative Theil des galizischen
Schulwesens und insbesondere die Anstellung der Professoren und Lehrer.
Beust setzt sich deßhalb mit ihnen in Verbindung und sagt ihnen
die Gewährung, selbstvrerständlich ohne formelle Verpflichtung, zu.
(Bis Ende des Jahrs sind ihnen auch alle ihre Begehren theils
gesetzlich theils thatsächlich zugestanden).
1. Juni. (Ungarn). Landtag: Das Unterhaus beschließt die Abdan=
kungs= und Thronentsagungsurkunden zu inarticuliren und beauftragt
die Regnicolardeputation mit der Ausarbeitung.
Das Oberhaus nimmt die Inarticulation des Gesetzes über die
gemeinsamen Angelegenheiten einstimmig an.
2. „ (Croatien). Die Fahnenfeier eines Gesangvereins in Agram
fällt ganz panflavistisch-russisch aus.
„ „ Reichsrath: Die Commissionen beider Häuser haben ihre Ent-
würfe von Antwortsadressen festgestellt. Derjenige des Abg.-Hauses
ist von Herbst, der des Herrenhauses von Graf Anton Auersperg
verfaßt.
Die öffentliche Meinung äußert sich darüber ziemlich übereinstimmend:
„Der Entwurf des Abg.-Hauses ist biegsam und entgegenkommend in der
Ausgleichsfrage, jedoch streng, energisch, ausführlich, unverblümt in der Frei-
heitsfrage; der Entwurf des Herrenhauses zeigt sich stramm und steif gegen-
über Ungarn, lax und verclaufulirt gegenüber der Freiheit.“
3.—5. Juni. Reichsrath: Abg.-Haus: Adreßdebatte. Rede des Minister-
präsidenten Frhrn. v. Beust.
Adreßentwurf der Commission: Ew. k. k. apostol. Majestät!
Nach einem Zeitraum von zwei Jahren ist es dem Abgeordnetenhause wieder
möglich an den Stufen des allerh. Thrones seine Stimme zu erheben. Es
waren zwei für Oesterreich verhängnißvolle Jahre! Was für die Länder,
in welchen die Grundgesetze vom 20. Oct. 1860 und 26. Febr. 1861 durch
Jahre in Wirksamkeit gewesen bereits feststand und gesicherte Grundlage
weiterer Entwicklung war, wurde wieder in Frage gestellt. Ueber die wich-
tigsten Staatsangelegenheiten wurde ohne alle Mitwirkung und Controle der
Volksvertretung verfügt und dadurch der Credit des Reichs empfindlichst ge-