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Oeslerreich.
schädigt, was auf die bamit innig verknüpften makeriellen Interessen Aller
die nachhaltigste Rückwirkung übte. So kam es, daß sich, nach den schweren
Schicksalsschlägen, die das Reich im vorigen Jahre trasen, so viele patriotische
Herzen völliger Hoffnungslosigkeit hingaben; daß sich das bange Gefühl der
Entmuthigung und des Mißtrauens in die Zukunst des Reichs der Gemüther
bemächtigte und immer weiter greisende Verbreitung fand. Ew. Maj. haben
in Ihrer Weisheit und Gerechtigkeit durch die Einberufung des Reichsraths
den verfassungsmäßigen Zustand für die in ihm vertretenen Königreiche und
Länder wiederhergestellt. Unter solchen Verhältnissen tritt das Abgeordneten-
haus wieder zusammen; im vollen Bewußtsein der unermeßlich gewachsenen
Schwierigkeiten der Lage und der überwältigenden Größe der Aufgaben, welche
der Lösung harren, aber auch im Bewußtsein seiner Pflichten gegen Thron
und Volk, und durchdrungen ven der Ueberzeugung, daß seine Stärke und
Krast nur darin liegt, wenn es jederzeit die Anschauungen, Wünsche und
Bedürsnisse der Bevölkerung unverholen zum Ausdruck bringt. Wir sind
tief durchdrungen von dem Bewußtsein der Nothwendigkeit rascher Ordnung
der staatlichen Verhältnisse, durch welche die Sicherstellung des inneren Frie-
dens im Reiche bedingt ist. In dieser Beziehung ist nunmehr die Wieder-
herstellung der Verfassung des Königreichs Ungarn Thatsache geworden —
eine Thatsache, welche die Ordnung der gemeinsamen Angelegenheiten, sowie
die Auseinandersetzung der finanziellen und volkswirthschaftlichen Beziehungen
mit den Ländern der ungarischen Krone unausschiebbar macht. Wir müssen
es lebhaft beklagen, daß die Sistirung der Wirksamkeit des Grundgesetzes
vom 26. Febr. 1861 der verfassungsmäßigen Vertretung der nichtungarischen
Königreiche und Länder bisher die Möglichkeit benahm, in Betreff dieser Ord-
nung und Auseinandersetzung ihre Anschauungen geltend zu machen, und daß
somit die erwünschte und beiden Theilen gerechte und ersprießliche, keinen
Theil unverhältnißmäßig belastende Regelung derselben nicht sosort in's Leben
treten kann. Allein das hochherzige Vertrauen, mit welchem Ew. Maj. der
legalen Vertretung Ihres Königreichs Ungarn entgegenkamen, berechtigt auch
uns zu der Hoffnung auf eine glückliche Lösung dieser hochwichtigen Aufgabe,
und legt uns die Verpflichtung auf, die gebotene Gelegenheit zur Verständi-
gung über die Ordnung der staatlichen Verhältnisse nach dieser Richtung
bereitwillig zu benützen. Wenn wir hiebei die Wahrung der Rechte und
Interessen der von uns vertretenen Königreiche und Länder zur unverbrüch-
lichen Richtschnur unseres Handelns nehmen werden und nehmen müssen, so
kann hierin — wir erwarten es mit Zuversicht — kein Hinderniß der Ver-
ständigung liegen. Denn cine Vereinbarung vermag nur dann, wenn sie auf
der Anerkennung und Achtung der gegenseitigen Rechte beruht und den gege-
benen und sich so vielfältig berührenden Interessen Rechnung trägt, jene all-
seitige Befriedigung hervorzurusen, welche allein die Gewähr festen dauernden
Bestandes in sich trägt. Die Gefahren, welche beide Theile des Reichs, wenn
wir uneinig sind, von allen Seiten bedrohen, sowic die Lehren, welche wir
Alle aus den Erfahrungen der letzten Jahre in reichlichem Maß zu schöpsen
iu der Lage waren, mahnen ernst und eindringlich alle unter dem Scepter
Ew. Maj. lebenden Völker dahin zu streben, daß das begonnene Werk in
solcher Welse glücklich vollendet werde. Die Revision und Ergänzung
des Grundgesetzes vom 26. Febr. 1861 ist aber auch in anderer Beziehung eine
unausschiebliche Nothwendigkeit. Das Abgeordnetenhaus fühlt sich verxflichtet
in ehrfurchtsvoller Osffenheit auszusprechen, daß das allerorts tief erschütterte
Vertrauen nur dann wieder wachgerufen und gefestigt und das natürliche
Rechtsgefühl nur dann befriedigt werden könne, wenn die verfassungsmäßizen
Rechte des Reichsraths mit Bürgschaften gleichen Werths umgeben werden,
wie jene, deren sich die ungarisae Verfassung erfreut. Die Consolidirung
der staatlichen Verhältnisse ist durch die sestgewurzelte Ueberzeugung bedingt,
daß das Verfassungsrecht eine Wahrheit, daß sein Bestand und seine zeltgemäße