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des Ministers in Verbindung stehen, zum Gegenstand der Anklage machen. In
diesem Falle wird für dergleichen Handlungen der Staatsgerichtshof (§ 16) allein
zuständig, und ist die etwa bei dem ordentlichen Gericht anhängige Untersuchung an
den Staatsgerichtshof abzutreten. § 9. Der Präsident des betreffenden Hauses hat
binnen acht Tagen nach Ueberreichung des Antrages denselben auf die Tagesordnung
zu setzen. Die Verhandlung hat sich darauf zu beschränken, ob das Haus zur.
Tagesordnung übergehen, oder ob es den Antrag an einen Ausschuß zur Vorbe-
rathung verweisen wolle. & 10. Der gewählte Ausschuß hat die zur Begründung
der Anklage zweckdienlichen Vorerhebungen zu pflegen; er kann Zeugen und Sach-
verständige, wie auch den Minister, gegen den der Antrag laulet, zur Aufklärung
vernehmen oder von ihm eine schriftliche Rechtfertigung und die zu seiner Verthei-
digung dienlichen Urkunden entgegennehmen. 8 11. Für die Zulässigkeit der An-
klage ist ein Beschluß mit einer Mehrheit von zwel Dritttheilen der Stimmen er-
forderlich. & 12. Beschließt das Haus, den Minister in Anklage zu versetzen, so hat
derselbe seine amtliche Wirksamkeit einzustellen. Der Anklagebeschluß ist mittelst
Adresse zur Kenntniß des Kaisers zu bringen. §& 13. Der Präsident des Hauses,
welches die Anklage erhebt, hat den Anklagebeschluß dem Vorsitzenden des Staats-
gerichtshofes (§+ 16) mit der Aufforderung mitzutheilen, die Mitglieder desselben
sofort nach Wien zu berusen. § 14. Das die Anklage erhebende Haus des Reichs-
raths kann bis zum Beginne der Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof (§5 16)
durch eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen beschließen von der Anklage
abzustehen. & 15. Das Haus, von dem die Anklage ausgegangen ist, hat zur Ver-
tretung der Anklage vor dem Staatsgerichtshofe drei seiner Mitglieder zu bestimmen.
16. Die Verhandlung und Entscheidung über die Anklage erfolgt-bei dem Staats-
gerichtshofe. Der Staatsgerichtshof ist in der Art zu bilden, daß jedes der beiden
Häuser des Reichsraths aus den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Län-
dern 12 unabhängige und gesetzkundige Staatsbürger, welche jedoch keinem der beiden
Häuser des Reichsraths angehören dürfen, für die Dauer von sechs Jahren als Mit-
glieder des Staatsgerichtshofes wählt: Die gewählten Mitglieder haben den Vor-
sitzenden aus ihrer Mille zu wählen. § 17. Wird die von einem der beiden Häuser
gegen einen Minister erhobene Anklage an den Staatsgerichtshof geleitet, so hat
derselbe aus seiner Milte zur Instrulrung des Prozesses einen Untersuchungsrichter
z wählen, dem alle Befugnisse zustehen, die im ordentlichen Strafverfahren einem
ntersuchungsrichter zukommen. Dieser kann sohin Zeugen und Sachverständige
auch eidlich vernehmen oder die Vernehmung derselben durch das Gericht veranlassen.
Beamte sind bei dieser Vernehmung der Pflicht der Amtsverschwiegenheit entbunden.
Die Untersuchung ist längstens binnen sechs Monaten zu Ende zu führen. & 18.
Erachtet der Untersuchungsrichter die Untersuchung für geschlossen, so ist vom Vor-
sitzenden des Staatsgerichtshofs der Tag der Hauptverhandlung öffentlich bekannt zu
geben und dem Ankläger sowie dem Angeklagten anzuzeigen. Jeder Angeklagte hat
das Recht sich einen oder mehrere Vertheidiger zu wählen. § 19. Dem Angeklagten
— und, wenn deren mehrere sind, allen gemeinschaftlich — sowie den Vertretern
der Anklage steht das Recht zu, je sechs Mitglieder des Stkaatsgerichtshoses ohne
Angabe der Gründe abzulehnen, jedoch so, daß in der Zahl der übriggebliebenen
Mitglieder die Zahl der von jedem Hause gewählten Richter die gleiche sei. Wird
dieses Recht gar nicht oder nicht vollständig ausgeübt,, so ist die Anzahl der Nichter
durch Losung derart zu vermindern, daß eine Gesammtzahl von zwölf Richtern und
zwar die gleiche Zahl der von jedem Hause gewählten Nichter übrig bleibt. §& 20.
Die Hauptverhandlung vor dem Staatsgerichtshofe ist öffentlich und mündlich. Die
Richter urtheilen nach ihrer Ueberzeugung und sind an keine pofitiven Beweisvor=
schristen gebunden. Die Abstimmung ist geheim und erfolgt durch Kugelnng. § 21.
Das Urtheil hat unter Angabe der Gründe auszusprechen, ob der Angeklagte schuldig
oder nicht schuldig sei. Im ersten. Falle — wozu eine Stimmenmehrheit von min-
destens zwei Dritteln der Stimmen erforderlich ist — sind in dem Urtheil die als
erwiesen angenommenen Thatsachen zu bezeichnen und deren Strasbarkeit zu quali-
ficiren. § 22. Die Vorschriften der allgemeinen Strafprozeßordnung sind von dem