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deren untersteht. Art. 15. Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religions-Gesell-
schaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und ver-
waltet ihre inneren Angelegenheiten selbstständig, bleibt im Besitze und Genusse
ihrer für Cultus-, Unterrichts= und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten,
Stistungen und Fonds, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staats-
gesetzen unterworfen. Art. 16. Den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten
Religions-Bekenntnisses ist die häusliche Religionsübung gestattet, insoferne dieselbe
weder rechtswidrig, noch sittenverletzend ist. Art. 17. Die Wissenschaft und ihre
Lehre ist frei. Unterrichts= und Erziehungsanstalten zu gründen und on solchen
Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Besähigung hiezu
in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner
solchen Beschränkung. Für den Religions-Unterricht in den Schulen ist von der
betrefsenden Kirche oder Religions-Gesellschaft Sorge zu iragen. Dem Staate steht
rücksichtlich des gesammten Unterrichts= und Erzichungswesens das Recht der obersten
Leitung und Aufsicht zu. Art. 18. Es steht Jedermann frei, seinen Beruf zu
wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will. Art. 19. Alle
Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein un-
verletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache. Die
Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem
Leben wird vom Staate anerkannt. In den Ländern, in welchen mehrere Volks-
stämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein,
daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache
jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache
erhält. Art. 20. Ueber die Zulässigkeit der zeitweiligen und örtlichen Suspension
der in den Art. 8, 9, 10, 12 und 13 enthaltenen Rechte durch die verantwortliche
Regierungsgewalt wird ein besonderes Gesetz bestimmen.
IV.
Staatsgrundgesetz vom 21. December über die Einsetzung eines
Reichsgerichts.
Art. 1. Zur Entscheidung bei Competenz-Conflicten und in flreitigen
Angelegenheiten öffentlichen Rechtes wird für die im Reichsrathe vertretenen König-
reiche und Länder ein Reichsgericht eingesetzt. Art. 2. Das Reichsgericht hat end-
giltig zu entscheiden bei Competenz-Conflicten: a) zwischen Gerichts= und Ver-
waltungs-Behörden über die Frage, ob eine Angelegenheit im Rechts= oder Ver-
waltungswege auszutragen ist, in den durch das Gesetz bestimmten Fällen; b) zwischen
einer Landesvertretung und den obersten Regierungsbehörden, wenn jede derselben das
Verfügungs= oder Entscheidungsrecht in einer administrativen Angelegenheit bean-
sprucht; c) zwischen den autonomen Landesorganen verschiedener Länder in den
ihrer Besorgung und Verwaltung zugewiesenen Angelegenheiten. Art. 3. Dem
Reichsgerichte steht ferner die endgiltige Enischeidung zu: a) über Ansprüche ein-
zelner der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder an die Gesammtheit
derselben und umgekehrt, dann über Ansprüche eines dieser Königreiche und Länder
an ein anderes derselben, endlich über Ansprüche, welche von Gemeinden, Körper-
schaften oder einzelnen Personen an eines der genannten Königrelche und Länder
oder an die Gesammtheit derselben gestellt werden, wenn solche Ansprüche zur Aus-
tragung im ordentlichen Rechtswege nicht geelgnet sind; b) über Beschwerden der