Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Staatsbürger wegen Verletzung der ihnen durch die Verfassung gewährleisteten po- 
litischen Rechte, nachdem die Angelegenheit im gesetzlich vorgeschriebenen admini- 
strativen Wege ausgetragen worden ist. Art. 4. Ueber die Frage, ob die Ent- 
scheidung eines Falles dem Reichsgerichte zusteht, erkennt einzig und allein das 
Reichsgericht selbst; dessen Entscheidungen schließen jede weitere Berufung sowie die 
Betretung des Rechtsweges aus. Wird eine Angelegenheit vom Reichsgerichte vor 
den ordentlichen Richter oder vor eine Verwaltungsbehörde gewiesen, so kann die 
Entscheidung von denselben wegen Incompetenz nicht abgelehnt werden. Art. 5. 
Das Reichsgericht hat seinen Sitz in Wien und besteht aus dem Präsidenten und 
seinem Stellvertreter, welche vom Kaiser auf Lebensdauer ernannt werden, dann aus 
zwölf Mitgliedern und vier Ersatzmännern, welche der Kaiser über Vorschlag des 
Reichsrathes, und zwar sechs Mitglieder und zwei Ersatzmänner aus den durch das 
Abgeordnetenhaus, dann sechs Mitglieder und zwei Ersatzmänner aus den von dem 
Herrenhause vorgeschlagenen Personen ebensalls auf Lebensdauer ernennt. Der Vor- 
schlag wird in der Weise erstattet, daß für jede der zu besetzenden Stellen drei sach- 
kundige Männer bezeichnet werden. Art. 6. Ein besonderes Gesetz wird die näheren 
Bestimmungen über die Organisation des Reichsgerichtes, über das Verfahren vor 
demselben und über die Vollziehung seiner Entscheidungen und Verfügungen feststellen. 
V. 
Staatsgrundgesetz vom L1. December über die richterliche 
Gewalt. 
Art. 1. Alle Gerichtsbarkeit im Staate wird im Namen des Kaisers 
ausgeübt. Die Urtheile und Erkenntnisse werden im Namen des Kaisers ausge- 
fertigt. Art. 2. Die Organisation und Competenz der Gerichte wird durch Gesetze 
festgestellt. Ausnahmsgerichte sind nur in den von den Gesetzen im voraus be- 
stimmten Fällen zulässig. Art. 3. Der Wirkungskreis der Militärgerichte wird 
durch besondere Gesetze bestimmt. Art. 4. Die Gerichtsbarkeit bezüglich der Ueber- 
tretungen der Polizei= und der Gefälls-Strafgesetze wird durch Gesetze geregelt. 
Art. 5. Die Richter werden vom Kaiser oder in dessen Namen definitiv und auf 
Lebensdauer ernannt. Art. 6. Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen 
Amtes selbstständig und unabhängig. Sie dürfen nur in den vom Gesetze vorge- 
schriebenen Fällen und nur auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses 
ihres Amtes entsetzt werden; die zeitweise Enthebung derselben vom Amte darf nur 
durch Versügung des Gerichtsvorstandes oder der höheren Gerichtsbehörde unter 
gleichzeitiger Verweisung der Sache an das zuständige Gericht, die Versetzung an 
eine andere Stelle oder in den Ruhesland wider Willen nur durch gerichtlichen 
Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen erfolgen. Diese 
Bestimmungen sinden jedoch auf Uebersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand 
keine Anwendung, welche durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte 
nöthig werden. Art. 7. Die Prüfung der Giltigkeit gehörig kundgemachter Gesetze 
sieht den Gerichten nicht zu. Dagegen haben die Gerichte über die Giltigkeit von 
Verordnungen im gesetzlichen Instanzenzuge zu entscheiden Art. 8. Alle richter- 
lichen Beamten haben in ihrem Diensteide auch die unverbrüchliche Beobachtung der 
Staatsgrundgesetze zu beschwören. Art. 9. Der Staat oder dessen richterliche Be- 
amten können wegen der von den Letzteren in Ausübung ihrer amtlichen Wirksamkeit 
verursachten Rechtsverletzungen, außer den im gerichtlichen Verfahren vorgezeichneten 
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