Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Frankrelch. 
über diese hohe Froge neue Studien anstellen lassen zu müssen. Man kann 
wirklich nicht mit zu großer Sorgfalt diese wichtige Aufgabe ergründen, die 
so bedeutende und häufig so widerstrebende Interessen berührt. Meine Re- 
gierung wird Ihnen neue Bestimmungen vorschlagen, die nur einfache Um- 
änderungen des Gesetzes vom Jahre 1832 sind, die aber das stets von mir 
verfolgte Ziel erreichen, den Militärdienst während des Friedens zu verrin- 
gern und während des Krieges zu vermehren. Sie werden dieselben, ebenso 
wie die Einrichtung einer mobilen Nationalgarde, unter dem Eindrucke des 
patriotischen Gedankens, daß, je stärker wir sind, desto mehr der Friede ge- 
sichert ist, Ihrer Prüfung untkerziehen. Dieser Friede, den wir Alle erhalten 
wollen, schien einen Augenblick in Gesahr zu sein. Revolutionäre Auf- 
reizungen, die am hellen Tage betrieben wurden, bedrohten die päpstlichen 
Staaten. Da die Convention vom 15. Sept. nicht ausgeführt wurde, 
mußte ich abermals Truppen nach Rom schicken und die Herrschaft des heil. 
Stuhles beschützen, indem ich die Eindringlinge zurücktrieb. Unser Auftreten 
konnte keinen feindseligen Charakter für die Einheit und die Unabhängigkeit 
Italiens darbieten, und es hat diese Nation, nach der Ueberraschung des ersten 
Augenblicks, gar bald die Gefahren eingesehen, welche diese revolutionären 
Kundgebungen dem monarchischen Prinzip und der europäischen Ordnung be- 
reiteten. Heute ist in den päpstlichen Staaten die Ruhe beinahe völlig wieder 
hergestellt und wir können den nahen Zeitpunkt der Wiederheimkehr unserer 
Truppen berechnen. Für uns existirt der Vertrag vom 16. September, so 
lange er nicht durch einen neuen internationalen Akt ersetzt worden ist. Die 
Beziehungen Italiens zum heil. Stuhle interessiren ganz Europa, und wir 
haben den Mächten den Vorschlag gemacht, diese Beziehungen in einer Con- 
ferenz zu regeln und so neuen Verwicklungen vorzubeugen. Man hat Be- 
sorgnisse gehegt über die Orientfrage, welcher indessen der versöhnliche 
Geist der Mächte allen gereizten Charakter benimmt. Wenn unter ihnen einige 
Meinungsverschiedenheiten über die Mittel, die Pacification Creta's herbeizu- 
führen, obgewaltet haben, so schätze ich mich sehr glücklich, zu constatiren, 
daß sie alle über zwei Hauptpunkte wenigstens, nämlich über die Aufrecht- 
haltung der Integrität des Oltomanischen Reiches und die Verbesserung der 
Lage der Christen einig sind. Die auswärtige Politik gestattet uns also, alle 
unsere Sorgfalt den inneren Verbesserungen zu widmen. Diese Sessien wird 
hauptsächlich zur Prüfung der Gesetze verwandt werden, zu denen ich im ver- 
wichenen Jannar die Initiative ergriffen habe. Die seitdem verstrichene Zeit 
hat meine Ueberzeugung von der Nützlichkeit dieser Reformen nicht geändert. 
Gewiß, die Ausübung dieser neuen Freiheiten setzt die Gemüther gefährlichen 
Aufreizungen und Verführungen aus; aber ich rechne, um sie unmächtig zu 
machen, gleichzeitig aus den gesunden Sinn des Landes, den Fortschritt der 
öffentlichen Sitten, die Festigkeit der Unterdrückung, die Energie und Autorität 
der Regierung. Verfolgen wir mithin das Werk, welches wir zusammen 
unternommen haben. Seit fünfzehn Jahren ist unser Gedanke derselbe ge- 
wesen: über den Controversen und den feindlichen Leidenschaften unsere 
Grundgesetze, die die Volksabstimmung sanctionirt hat, aufrecht zu erhalten, 
aber gleichzeitig unsere liberalen Institutionen zu entwickeln, ohne das Prin- 
zip der Autorität zu schwächen. Hören wir nicht auf, den Wohlstand durch 
die schnelle Vollendung unserer Communicationswege auszubreiten, die Unter- 
richtsmitiel zu vermehren, die Benützung der Justiz durch die Einfachheit 
der Prozeduren minder kostspielig zu machen, alle Maßregeln zu ergreifen, 
welche das Schickjal der größern Anzahl ersprießlich machen können. Wenn 
Sie, wie ich, überzeugt sind, daß dieser Weg der des wahren Fortschrittes 
und der Cirilisation ist, so sahren wir fort, in diesem Einverständniß der 
Ansichten und Gesühle, welches eine so kostbare Garantie des öffentlichen 
Wohles ist, fortzuschreiten. Sie werden, hoffe ich, die Gesetze annehmen, die 
Ihnen vorgelegt sind, sie werden zur Größe und zum Reichthum des Landes
	        
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