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Frankrelsch.
des Evangeliums. Der Syllabus, auf den man sich berufe, sei ein letzter
Protest der alten Ordnung gegen die neue; aber das Papstthum werde sich
in die mederne Welt einrichten, gerade wie es sich nach einander in die rö-
mische, in die barbarische und in die Welt des 17. Jahrhunderts gesunden
habe. Der Minister gibt hierauf, wie im Senat, die Geschichte der letzten
Ereignisse, nur daß er dießmal gegen das abgekretene Ministerium Ratazzi
eine heftigere Sprache führt, als selbst die Kirchenfürsten im Oberhause an-
geschlagen haben. Er klagt dieses Cabinet ofsen an, seit Beginn der Bewe-
gung Frankreich getäuscht und Garibaldi nur vorgeschoben zu haben, um im
geeigneten Augenblicke sich statt dieses republikanischen Führers an die Spitze
der Bewegung zu stellen. „In diesem Augenklicke — als die Garibaldianer
in das päpstliche Gebiet einrückten, und die italienischen Truppen des Grenz-
cordons sich in Colonnen formirten — betrachteten wir die Convention als
verletzt. Da machte mir der italienische Gesandte mündlich eine Mittheilung
von der höchsten Wichtigkeit: er schlug eine europäische Conferenz und für
den Augenblick die gemeinschastliche Besetzung Noms durch Frankreich und
Italien vor. Wir nahmen von dem ersten Vorschlage Akt und wiesen den
zweiten zurück. In der That kann ich diesen zweiten Antrag nicht anders
als in solgender brutaler Weise charakterisiren: man trug uns nicht nur die
Rolle des Gesoppten, sondern auch die des Verräthers an. Wir wiesen mit
Entrüstung diese Milschuld zurück, welche man uns mit einer Art von Bon-
hommie zumuthete, die den Schimpf noch verdoppelte.“ Redner entwickelt,
wie von nun an die Expedition entschieden war und gerade noch im rechten
Augenblicke, um Rom zu retten; er gesteht zu, daß ohne die Hilfe der Fran-
zosen die ewige Stadt unfehlbar in die Hände der Garibaldianer fallen mußte.
Die Occupation sei demnach eine Nothwendigkeit, aber keine Lösung gewesen.
Er hält daran fest, daß eine Versöhnung zwischen Italien und dem Papft-
thum hergestellt werden muß. „Es sind Unterhandlungen wegen jener euro-
pä#ischen Conferenz angeknüpft worden, welche Italien selbst vorgeschlagen hat.
Ich kann in diesem Augenblicke nicht gewiß sagen, ob die Conserenz zusammen-
treten werde oder nicht, da einige Mächte noch ein sehr begreifliches Bedenken
tragen, an der Lösung so delicater Fragen Theil zu nehmen; aber ich kann
der Kammer sagen, welches in dem einen oder dem anderen Falle unsere
Haltung sein wird. Wenn die Conserenz zusammentritt, so werden wir mit
Loyalität und mit Vorsicht untersuchen, ob die Lage Itoliens und die all-
gemeine Lage in dem Augenblicke des Zusammentritts der Conferenz derart
ist, daß wir die Sicherheit des heiligen Stuhles als verbürgt betrachten können,
und ist dieß der Fall, so werden wir unsere Truppen zurückziehen. Wenn
dagegen die Conferenz nicht zusammentritt, so fallen wir unter die Herrschaft
der Septemberconvention zurück und sagen zu Italien: Wollt Ihr sie dieß-
mal ausführen und uns stärkere Sicherheiten dafür geben, als die früheren
waren? Könnt Ihr uns verbürgen, daß das Papstihum von nun an wirklich
außer aller Gefahr ist?“ Schließlich bittet der Minister im Namen der Re-
gierung um ein Vertrauensvotum für die Vergangenheft, das sie auch für
die Zukunft stärken werde. «
5. Dec. Gesetzgeb. Körper: Schluß der Debatte über die römische Frage.
Der Staatsminister Rouher gibt endlich eine unumwundene, unzwei-
deutige Erklärung über die Absichten der Regierung:
Nouher ergänzt zunächst die Aufklärungen Moustiers bezüglich der letzten
Ereignisse. Er spricht die Ansicht aus, daß die italienische Regierung bis
zum 21. Sept. aufrichtig, aber schwach, vom 21. Sept. an nachsichtig, ab-
hängig, fast möchte er sagen, mitschuldig war. Natazzi speciell sei schwach
gewesen; er habe beständig den unglückseligen Traum gehegt, die revolutio-
nären Anschläge durch gute Beziehungen mit der Partei der Linken vereiteln
zu könnenz er habe den Irrthum begangen, sich mit einer systemalischen