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Frankreich.
1866 organisirt, indem wir die Allianz zwischen Preußen und Italien er-
weiterten. Indeß Venetien war nur ein Vorwand. Der eigentliche Grund
war der, unsere Armee zu beschäftigen und dann jene abscheuliche, in gewissen
Gemüthern allmächtige Ueberzeugung, daß man nur durch Siege und Er-
oberungen neue Dynastien gründe. Man hoffte, daß der Krieg zwischen
Preußen und Oesterreich sich in die Länge ziehe, und daß sich aus ihm eine
Veränderung ergeben werde, die eine Intervention und einen Antheil an der
Beute geslatte. Allein man täuschte sich und hat jetzt nicht den Muth, sich
in diese Enttäuschung hineinzufinden. Und Sie trugen viel dazu bei. (Links:
Das ist wahr !) Sie begrüßen und verkündigen bei jeder Gelegenheit den
Frieden, bei jeder Gelegenheit sprechen Sie Wünsche für seinen Fortbestand
aus, und in der Wirklichkeit votiren Sie jeden Tag den Krieg. (Widerspruch
rechts; Zustimmung links.) Ja, jeden Tag votiren Sie den Krieg. Jedes-
mal, wenn in diesem Hause ein Redner sich erhebt, um Ihnen darzuthun,
daß zuletzt die in Deutschland vollzogenen Ereignisse weder drohend noch de-
müthigend für uns sind, ersticken Sie seine Stimme durch Ihr Gemurr. So
wie dagegen ein Redner behauptet, daß der Sieg von Sadowa für Frankreich
eine Art Niederlage, eine Schwächung, eine Schmälerung seines Prästigiums
sei, zollen Sie Beifall. (Verschiedenartiger Widerspruch.) Sie leugnen es?
Lesen Sie doch den „Moniteur“" nach! Ja, Sie zollen Beifall. (Einige
Stimmen: Es ist wahr!) Wohlan! in einem Lande, wie das unserige, das
stelz, empfindlich, leicht reizbar im Ehrenpunkte ist, kann man unmöglich auf
der Tribune und in der Presse unter jeder Form es denken, behaupten und
alle Tage wiederholen, daß wir geschwächt, gefährdet, erniedrigt sind GBeing
ohne daß sich eine wirkliche Aufregung kundgebe. Es ist unmöglich, daß,
wenn der, welcher an der Spitze der Regierung steht, Napolcon heißt, welches
auch seine humanen Gesinnungen, sein richtiges Auffassen der Lage, seine
Wünsche für den Fortbestand des Friedens sein mögen, daß er lange, daß er
immer einem so stetig wiederkehrenden, gebieterischen Drucke wiederstehe. Es
müssen also entweder diese Kammern und diese Nation sich nicht nur in das
Vollbrachte ergeben, sondern es auch ohne Rückgedanken hinnehmen, oder aber
sie müssen mannhaft die früher oder später unvermeidliche Nothwendigkeit
eines ernsten, furchtbaren Krieges mit Deutschland in's Auge fassen. (Ver-
schiedenartige Bewegung.) Sie können mir widersprechen, Sie können mich
dementiren und behaupten, daß Sie den Frieden wollen; das ändert nichts
an meiner Ueberzeugung: Sie haben gut den Frieden wollen: wenn Sie in
Ihrer gegentwärtigen Polilik verharren, so packt Sie der Krieg auch wider
Ihren Willen. (Abermalige Unterbrechung; „das kommt darauf an.“ — „Um
so mehr Grund, uns darauf vorzubereiten"“). Und aus allem dem, was ver-
geht, sehe ich keinen andern Ausweg, als das Schlachtfeld. Zwei einzige
Mittel gibt es, um dieses Unheil zu beschwören; von Seite der Regierung
eine Rückkehr zu sich selbst, einen entscheidenden Entschluß und die Errichtung
einer liberal-constitutionellen Regierung an der Stelle des persönlichen Regi-
ments. (Anhaltende Unterbrechung.) Von Seite des Landes und von Ihrer
Seite gilt es die Verpflichtung, ein Gesetz zu verwersen, dessen Nülichkeit
zum Mindesten zweiselhaft, das aber gewiß nicht nothwendig ist, und das,
mögen Sie nun fagen und thun, was Sie wollen, in Frankreich und in
Europa als gleichbedeutend mit Krieg gilt. Ich werde unbedenklich gegen
das Gesetz stimmen. Was kümmert es mich, wenn man in leidenschaftlichem
Tone mir sagt und wiederholt: „„Seien wir Franzosen und keine Deutschen
oder Italiener!““ Ja, seien wir Franzosen, aber glauben wir nicht, daß
man in nobler Weise Franzose ist, wenn man die Bestrebungen anderer
Völker unterdrückt, glauben wir nicht, daß man in nobler Weise Franzose ist,
wenn man die Deutschen verhindert, Deutsche, und die Italiener, Italiener
zu sein!“ (Zustimmung links.)