Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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Jlalten. 
Die unabhängige Presse erhebt sofort große Bedenken gegen den Plan 
Nicasoli's, namentlich dagegen, der Kirche, d. h. den Bischöfen ein so un- 
geheures Vermögen ohne die mindeste Controle zu übergeben und will es 
daher nicht dem Clerus allein sondern der Gemeinde, dem Clerus und den 
Gläubigen, überantwortet wissen, muß aber selbst zugeben, daß der Begriff 
der Gemeinde dem in der kath. Kirche herrschenden Papalsystem völlig fremd 
sei und der Staat diese Gemeinde unmöglich von sich aus schaffen könne. 
ohne sofort wieder der Idee der „freien Kirche“ untreu zu werden. 
23. Jan. Ein kgl. Decret löst in Folge des Friedens mit Oesterreich 
29. 
die bisher bestandene ungarische Legion auf. 
„ Der Senat beschließt die Versetzung des Admirals Persano wegen 
seines Benehmens in der Seeschlacht bei Lissa im Anklagezustand 
und zwar mit 83 gegen 48 Stimmen wegen Ungehorsam und mit 116 
gegen 15 Stimmen wegen Unkenntniß und Nachlässigkeit, während 
die Anklage wegen Feigheit mit 71 gegen 60 Stimmen abgelehnt wird. 
4. Febr. II. Kammer: Sämmtliche 9 Bureaux der Kammer haben das 
10. 
11. 
Gesetz über die Freiheit der Kirche und die Liquidation der Kirchen- 
güter abgelehnt. 
Zwei Punkte sind es, welche allgemeinen Widerstand fanden: die von dem 
Staat den Bischöfen eingeräumte Stellung, welche dieselben zu wahren 
Lehensherren des niedern Clerus machen würde, und der Mangel einer 
zwingenden Vorschrift über die Anlage des convertirten Kirchenvermögens in 
unveräußerlicher Rente auf den Staat. Nach dem Vertrage mit Langrand 
sollen die Bischöfe das der Kirche heute gehörige Vermögen binnen 10 Jahren 
in bewegliche Güter verwandeln und nach Entrichtung von 600 Mill. an 
den Staat den Erlös unter die kirchlichen Institutionen und Körper ihrer 
betreffenden Diözesen vertheilen. Eine Verwendung dieser Güter zu anderen 
als diesen Zwecken ist aber durchaus nicht ausgeschlossen und läge lediglich 
im Belieben der Bischöfe. Es könnte nur verhindert werden, wenn die Kirche 
verpflichtet würde, ihr nunmehr beweglich gewordenes Vermögen in unver- 
äußerlicher Staatsrente anzulegen. Wirklich war Scialoja in seinen Unter- 
handlungen mit Langrand lange bemüht gewesen, diese Bestimmung in den 
Vertrag hineinzubringen. Langrand ging jedoch nicht darauf ein und bestand 
darauf, daß die Bischöse das Vermögen anlegen dürften, wo und wie immer 
sie wollten. Die Mehrheit der Kammer glaubte daher, hinter dem Hause 
Langrand die gesammte ultramontane Reaction Europas erblicken zu müssen. 
„ Der neue österr. Gesandte, Baron Kübeck, überreicht seine Cre- 
ditive ohne besondere Ansprache, wird indeß durch eine besonders 
glänzende Aufnahme ausgezeichnet. 
„ Die Regierung beginnt Volksversammlungen gegen die neuen 
Kirchengesetze, namentlich im Venetianischen, zu untersagen. 
II. Kammer: Die Commission für das sog. Kirchengesetz wählt 
Crispi zum Berichterstatter, mit dem Auftrage, die Verwerfung des 
Gesetzes zu beantragen, bezüglich des politischen Theils mit 8 gegen 
1, bezüglich des finanziellen mit 5 gegen 4 Stimmen. 
„ II. Kammer: Die Regierung wird über das Verbot von Volks 
versammlungen in Padua und Venedig interpellirt. Ricasoli ant- 
wortet auf der Stelle, daß nicht der Art. 32 der Verfassung über
	        
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