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Jlalten.
Die unabhängige Presse erhebt sofort große Bedenken gegen den Plan
Nicasoli's, namentlich dagegen, der Kirche, d. h. den Bischöfen ein so un-
geheures Vermögen ohne die mindeste Controle zu übergeben und will es
daher nicht dem Clerus allein sondern der Gemeinde, dem Clerus und den
Gläubigen, überantwortet wissen, muß aber selbst zugeben, daß der Begriff
der Gemeinde dem in der kath. Kirche herrschenden Papalsystem völlig fremd
sei und der Staat diese Gemeinde unmöglich von sich aus schaffen könne.
ohne sofort wieder der Idee der „freien Kirche“ untreu zu werden.
23. Jan. Ein kgl. Decret löst in Folge des Friedens mit Oesterreich
29.
die bisher bestandene ungarische Legion auf.
„ Der Senat beschließt die Versetzung des Admirals Persano wegen
seines Benehmens in der Seeschlacht bei Lissa im Anklagezustand
und zwar mit 83 gegen 48 Stimmen wegen Ungehorsam und mit 116
gegen 15 Stimmen wegen Unkenntniß und Nachlässigkeit, während
die Anklage wegen Feigheit mit 71 gegen 60 Stimmen abgelehnt wird.
4. Febr. II. Kammer: Sämmtliche 9 Bureaux der Kammer haben das
10.
11.
Gesetz über die Freiheit der Kirche und die Liquidation der Kirchen-
güter abgelehnt.
Zwei Punkte sind es, welche allgemeinen Widerstand fanden: die von dem
Staat den Bischöfen eingeräumte Stellung, welche dieselben zu wahren
Lehensherren des niedern Clerus machen würde, und der Mangel einer
zwingenden Vorschrift über die Anlage des convertirten Kirchenvermögens in
unveräußerlicher Rente auf den Staat. Nach dem Vertrage mit Langrand
sollen die Bischöfe das der Kirche heute gehörige Vermögen binnen 10 Jahren
in bewegliche Güter verwandeln und nach Entrichtung von 600 Mill. an
den Staat den Erlös unter die kirchlichen Institutionen und Körper ihrer
betreffenden Diözesen vertheilen. Eine Verwendung dieser Güter zu anderen
als diesen Zwecken ist aber durchaus nicht ausgeschlossen und läge lediglich
im Belieben der Bischöfe. Es könnte nur verhindert werden, wenn die Kirche
verpflichtet würde, ihr nunmehr beweglich gewordenes Vermögen in unver-
äußerlicher Staatsrente anzulegen. Wirklich war Scialoja in seinen Unter-
handlungen mit Langrand lange bemüht gewesen, diese Bestimmung in den
Vertrag hineinzubringen. Langrand ging jedoch nicht darauf ein und bestand
darauf, daß die Bischöse das Vermögen anlegen dürften, wo und wie immer
sie wollten. Die Mehrheit der Kammer glaubte daher, hinter dem Hause
Langrand die gesammte ultramontane Reaction Europas erblicken zu müssen.
„ Der neue österr. Gesandte, Baron Kübeck, überreicht seine Cre-
ditive ohne besondere Ansprache, wird indeß durch eine besonders
glänzende Aufnahme ausgezeichnet.
„ Die Regierung beginnt Volksversammlungen gegen die neuen
Kirchengesetze, namentlich im Venetianischen, zu untersagen.
II. Kammer: Die Commission für das sog. Kirchengesetz wählt
Crispi zum Berichterstatter, mit dem Auftrage, die Verwerfung des
Gesetzes zu beantragen, bezüglich des politischen Theils mit 8 gegen
1, bezüglich des finanziellen mit 5 gegen 4 Stimmen.
„ II. Kammer: Die Regierung wird über das Verbot von Volks
versammlungen in Padua und Venedig interpellirt. Ricasoli ant-
wortet auf der Stelle, daß nicht der Art. 32 der Verfassung über