38 Preußen und der norddeutsche Bund.
erreichen! Se. Maj. der König hat dem Hause durch die Verordnung vom
October 1865 — eine Verordnung, die nicht leicht nach der ganzen Lage der
Dinge hinzustellen war — ein Unterpfand gegeben, daß Se. Majestät fest
entschlossen ist, das Herrenhaus als einen organischen Factor unserer Ver-
fassung zu erhalten, zu ehren und zu fördern. Die königliche Regierung —
Sie können davon überzeugt sein — ist dankbar für die Unterstützung, die
das Herrenhaus in schwierigen Fragen ihr stets gegeben hat, nicht nur,
sondern sie wird aus constitutioneller Ueberzeugung den Bestand des Herren-
hauses und seine organische Fortbildung gegen jede Anfechtung vertreten; sie
hält diejenigen constitutionellen Staatsmänner für sehr kurzsichtig, welche
glauben, sie könnten einen Factor der Verfassung anfechten und für ungesetz-
lich erklären, ohne dabei das ganze System unserer Verfassung in Frage zu
stellen. Eine Regierungsgewalt, welche sich dazu herbeiließe, den einen
Factor der Gesetzgebung willkürlich zu beseitigen oder zu ignoriren, würde
wenigstens durch Verfassungsbedenken schwerlich bewogen werden, vor dem
anderen Halt zu machen. Dieses Bekenntniß der Auffassung der Regierung
von der Bedeutung des Herrenhauses, von seiner Nothwendigkeit, von seiner
Verfassungsmäßigkeit und Unantastbarkeit, von dem Schutze der königlichen
Zusage, unter der es steht, wie jede andere Verfassungseinrichtung, dieses
Bekenntniß kann Ihnen aus meinem Munde nicht neu und unerwartet sein.
Wenn Sie dies aber für wahr annehmen, so haben Sie auch die Gewißheit,
daß Sr. Majestät alle Kategorieen, aus denen das Herrenhaus seine Mit-
glieder zieht, in den neuen Ländern nach der bisherigen Gesetzgebung offen
stehen. Aber Sie werden auch mir zugeben, daß es nicht nützlich ist, so lange
die Verhältnisse nicht abgeschlossen sind, die Regierung zu nöthigen, Mit-
glieder zu berufen, deren Verhalten vielleicht das Herrenhaus wiederum zu
bedauerlichen Beschlüssen nöthigt. Wir können nicht wünschen, meine Herren,
daß Unterthanen Sr. Maj. des Königs von Preußen wieder ihre Stellung
in diesem Hause benutzen, um sich zu Organen preußenfeindlicher Herrscher
aufzuwerfen, wir können nicht wünschen, daß Mitglieder dieses Hauses, die
mit der auswärtigen Politik Sr. Maj. des Königs unzufrieden sind, ihm
den Huldigungseid aufkündigen. Alles dieses würde der Befestigung unserer
organischen Einrichtungen nicht förderlich sein. Eine andere Frage ist: Treten
Sie dem Zwecke näher, der Regierung Spielraum zu gewähren, wenn Sie
das Zustandekommen des Gesetzes hindern, wenn Sie es, wie es aus dem
anderen Hause gekommen ist, verwerfen? Entweder bie Regierung ist von
der Nothwendigkeit, die Verfassung bis zum 1. Oct. d. J. einzuführen,
überzeugt, und sie findet Mittel, die ihr entgegengestellten Hindernisse zu
überwinden, dann ist Ihr Beschluß mindestens überflüssig, und Sie erschweren
der Regierung ihre an sich schwierige Aufgabe, oder aber die Regierung stutzt
vor diesem Hindernisse, hält es für unüberwindlich, und es ist Ihnen ge-
lungen, gewisser Maßen einen Stock in das Räderwerk der Staats-Maschine
zu stoßen und dieselbe zum Stillstande zu bringen. Sie schaffen dann einen neuen
Conflict zwischen den beiden parlamentarischen Gewalten, den zu entscheiden
entweder die Regierung verpflichtet ist, oder den die Ereignisse lösen müssen.
Die Regierung, wenn sie auch auf Ihren Wunsch eingeht, könnte #zwar das
Abgeordnetenhaus, wenn es die Aenderungen des Herrenhauses ablehnt, auf-
lösen, es wäre dadurch von Neuem die Möglichkeit gegeben, daß sich wieder
ein dauernder Conflict entspinnt und wir in eine Lage kommen, in der wir
nicht wünschen können, von den Ereignissen überrascht zu werden. Aeußere
Ereignisse haben dazu beigetragen, den früheren Conflict zu schließen und
würden vielleicht auch den neuen entscheiden, ich halte es aber in kritischen
Zeitverhältnissen für keine der parlamentarischen Körperschaften für gerathen,
tiefgehende [Verfassungsfragen zu öffnen und flüssig werden zu lassen;
Niemand kann vorhersehen, nach welcher Richtung hin unrorhergesehene
Ereignisse sich entscheiden. Es ist nützlicher für beide Institutionen, das feste