Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Schwelz. 401 
10. Nov. (Genf.) In den Staatsrakhwahlen erringt die Partei der 
17. 
22. 
Independenten neuerdings einen vollständigen Sieg. James Fazy ist 
wieder nicht unter den Gewählten. 
„ (Zürich.) Beginn der demokratischen Bewegung. Pamhlete 
des Dr. Fr. Locher gegen das herrschende „System“ und seine 
hauptsächlichsten Vertreter. Eine von ihm einberufene Versammlung, 
zu der sich gegen 3000 Menschen einfinden, erklärt sich mit seinem 
Vorgehen gegen den Obergerichtspräsidenten Ullmer einverstanden, 
spricht den Wunsch aus, daß der Gr. Nath diesen Mann von seiner 
Stelle entfernen möge und beschließt einmüthig, die Revision der 
Verfassung durch einen Verfassungsrath und die zu ihrer Einleitung 
erforderlichen 10,000 Unterschriften anzuregen. Ullmer erhebt dagegen 
Klage gegen Locher und nimmt bis zum Austrag der Sache seinen 
Austritt aus dem Oberzerichte. 
„ (Bern.) Der Gr. Rath beschließt nach zweitägiger Debatte 
über die Ertheilung des Primärunterrichts an öffentlichen Schulen 
durch Angehörige religiöser Orden mit 128 gegen 75 Stimmen: 
„Der Gr. Rath in Betracht, daß die Beobachtung der Gesetze und Vor- 
schriften des öffentlichen Schulwesens, welche der Staat aufzuslellen berechtigt 
und verpflichtet ist (Art. 81 der Verfassung), mit dem unbedingten Gehorsam, 
welchen die Mitglieder religiöser Orden ihren daherigen Oberen schuldig sind, 
sich unvereinbar erwiesen hat, beschließt: Als Primarlehrer oder Lehrerinnen 
dürsen von nun an nicht patentirt oder angestellt werden Personen, welche 
religiösen Orden angehören; ebenso sind in Zukunft bereits patentirte oder 
an öffentlichen Primarschulen angestellte Lehrer und Lehrerinnen, welche reli- 
giösen Orden beitreten, als auf Patent und Anstellung verzichtend anzusehen. 
Die gegenwärtig in Kraft bestehenden definitiven Wahlen werden durch diesen 
Beschluß nicht aufgehoben.“ 
„ (Zürich.) Die demokratische Bewegung ergreift den ganzen 
Canton. Gelegentlich der Feier des Ustertages finden zahlreiche 
Versammlungen für und gegen die Bewegung, in Zürich selbst nicht 
weniger als,drei, statt, die indeß meist mit Erklärungen gegen das 
„System“ endigen. Die Beschlüsse einer Versammlung in Winter- 
thur werden zum Programm der Bewegung: 
„Die Versammlung von Winterthur: in Erwägung 1) daß die politischen 
Erfahrungen des Cantons Zürich, die Volksbildung und die fortgeschrittene 
öffentliche Meinung eine Erweiterung der Volksrechie wünschbar und zeitge- 
mäß erscheinen lassen; 2) daß auch die Ueberreste eines indireeten Wahlsystems, 
vor allem die indirecten Großrathsstellen, aus der Verfassung zu beseitigen 
sind; 3) daß eine auf die Spitze getriebene Centralisalion den berechtigten 
Einfluß der öffentlichen Meinung gelähmt, und eine andauernd einseitige Ver- 
wendung der Staatseinkünfte die Unzufriedenheit der hintangesetzten Landes- 
theile hervorgerufen hat; 4) daß einerseits die neuesten finanziellen Ausweise 
andrerseits wichtige mit Opfern verbundene Reformen, wie z. B. der Ausbau 
der Volksschule, eine gründliche und allseitige Prüfung der gesammten Finanz- 
lage und der möglichst richtigen Beiziehung der Steuerkräfte unumgänglich 
fordern; 5) daß eine Reihe von klar und allgemein ausgesprochenen Volks- 
wünschen, wie namenilich Erleichterung der Militärlasten, Vereinsrecht und 
Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung, entweder keine Beachtung fand, 
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