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Schwelz.
gangs= und Zielpunkt betrachtet werden müsse. Mit dieser nach und nach
ersolgten Wandelung und Klärung des politisch-bürgerlichen Selbstbewußtseins
war das reine Repräsentativsystem der Dreißigerverfassung überwunden, so
daß es nun galt, neue Lebensformen auszufinden für die directe Selbstregier-
ung des Volkes, und den anerkannten Satz: „Alles für das Volk“ zu er-
gänzen durch den eben so berechtigten: „Alles durch das Volk.“ Für diesen
Umbildungsprozeß in den geistig-politischen und socialen Anschauungen des
Zürcher Volkes, hinstrebend zur directen Gesetzgebung durch den Souverän,
hatten unsere verantwortlichen und unverantwortlichen Staatslenker bis zur
Stunde entweder kein Verständniß, oder sie fürchteten die unmittelbar sich
äußernde Volksstimme. Vom Pröäsidialstuhle des Großen Raths herunter
wurde die reine Demokratie zwei Mal nicht ohne scharfe Zurechtweisung aus
dem Glarner Lande verkleinert und als weniger leistungsfähig erklärt, die
Repräsentativreform dagegen als das A und 0 aller politischen Weisheit ge-
priesen. Und gerade jetzt wieder ruft man uns aus dem gegnerischen Lager
zu: „„Nur kein Referendum (keine Volksabstimmung über die Gesetze).
Ihr bereitet damit allem fernern Fortschritte das Grab.““ In guten Treuen
fern von demagogischer Volksschmeichelei, gestützt auf tiefe Ueberzeugungen,
protestiren wir gegen die Herabwürdigung des Zürcher Volkes, welche darin
liegt, daß man es für unfähig erklärt, den wahren Fortschritt zu erkennen
und dafür Opfer zu bringen. Wir erblicken in dieser falschen Beurtheilung
des Volkes den hauptsächlichsten Keim der gegenwärtigen Bewegung!“ Durch
das demokratische Programm soll nun das Volk in sein Recht, als selbstän-
diger, selbsthandelnder Souverän des Staats eingeführt werden.
9. Dec. Nationalrath: Der Bundesrath wird von 23 Mitgliedern über
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die beabsichtigte Theilnahme an Conferenzen über die römische Frage
interpellirt. Dubs beantwortet die Interpellation sehr einläßlich,
worauf sich die Interpellanten für vollständig befriedigt erklären.
„ Der Nationalrath beschließt auf den Antrag des Bundesrathes
mit großer Mehrheit trotz des Widerstrebens der Mitglieder aus der
franz. Schweiz, namentlich von Waadt, eine sehr wesentliche Verein-
fachung im Bekleidungswesen der eidg. Armee.
„ (Zürich.) Die demokratischen Volksversammlungen in Zürich,
Winterthur, Uster und Bülach werden trotz strömenden Regens von
mehr als 20,000 Bürgern besucht und nehmen einmüthig das ihnen
vorgelegte Programm an. Die für das Begehren einer Revision der
Verfassung nothwendigen 10,000 Unterschriften sind bereits über-
schritten. Der Sieg der Bewegung kann als entschieden betrachtet
werden.
„ Nationalrath: Auf eine Interpellation bez. des Stands der
Bewaffnungsfrage antwortet Bundesrath Welti, daß die einheimische
Industrie sich anfänglich ihrer Aufgabe keineswegs ganz gewachsen
gezeigt habe und daß die Zahl der umgeänderte Gewehre bis Neujahr
allerdings die früher angenommenen 80,000 Stück nicht erreichen
werde. Was die neue Waffe betreffe, so sei dagegen die eingetretene
Zögerung nicht von Nachtheil gewesen, das Vetterli-Gewehr habe
das Winchester-Gewehr übertroffen und stehe nach dem Urtheile der
Experten seinerseits bis jetzt unübertroffen da.