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wurde Baron Meyendorff autorisirt, dem Empfange des diplomatischen Corps
zum Weihnachtsfeste mit beizuwohnen. Am 15. (27.) December 1865 hatte
demnach Baron Meyendorff die Ehre, vom Papst empfangen zu werden.
Was bei diesem Zwiegespräch vorgefallen, hat zu den willkürlichsten Gerüchten
Anlaß gegeben. Seit der ofsficielle Berichterstatter des heiligen Stuhles in
seiner „documentalen Darstellung“ jenen unwahren Gerüchten eine gewisse
Bestätigung gegeben hat, darf die russische Regierung nicht länger dazu
schweigen. In jener „Darstellung“ wird behauptet, daß Baron Meyendorff
die Kühnheit so weit gekrieben habe, zu erklären, der Katholicismus sei
identisch mit der Revolution, worauf der Papst in gerechtem Unwillen dem
Geschäftsträger geantwortet habe: „Ich achte und ehre Se. Maj. den Kaiser,
aber ich kann nicht dasselbe von seinem Geschäftsträger sagen, der sicher dem
Willen seines Souverains entgegen mich in meinem Cabinet beleidigt.“ Diese
Behauptung muß zurückgewiesen werden. Der russische Geschäftsträger hat
sich nicht erlaubt, zu sagen, daß der Katholicismus und die Revolution eins
seien. Er hat nur gesagt, daß in Polen der Katholicismus sich mit der
Revolution verbunden habe. Dieses tief beklagenswerthe Factum ist Eigen-
thum der Geschichte geworden, dasselbe war dem heiligen Stuhle mehr als
einmal mitgetheilt worden, und es hältte nur von ihm abgehangen, sie zu
verhindern. Da der heillge Vater den Kaiser religiöser Verfolgung beschul-
digt, hat der Geschäftsträger Sr. Majestät dieser grundlosen Behauptung eine
allerdings betrübende aber unwiderlegliche Wahrheit entgegenstellen können
und müssen. Da jede diplomatische Beziehung mit dem römischen Hose un-
möglich geworden war, erhielt Baron Meyendorff den Befehl, dem Cardinal
Antonelli anzuzeigen, daß seine politische Mission beendet sei. Baron Meyen-
dorff entledigte sich dieses Auftrages am 28. Jannar (9. Februar) 1866 und
antwortete auf Befragen, daß er bis auf Weiteres zur einfachen Führung der
lausenden Geschäfte in Rom bleiben werde. Diese Lage der Dinge dauerte
bis zum 1. (13.) März. An diesem Tage erklärte Cardinal Antonelli dem
Baron Meyendorff, daß der römische Hof die russische Gesandtschaft nicht
mehr als bestehend ansehe; daß der Papst ihm nur deßhalb nicht seine Pässe
geschickt hätte, weil er wüßte, daß er in einigen Wochen abreisen würde; daß
es nicht in der Absicht Sr. Heiligkeit liege, eine russische Gesandtschaft in
Rom sich etabliren zu sehen, und Baron Meyendorff die Interessen der russi-
schen Unterthanen der Gesandtschaft einer anderen Macht anvertrauen könnte.
In Folge dieser Erklärung erhielt der zweite Gesandtschafts-Secretär, welcher
zur Bewachung der Archive in Rom zurückgeblieben war, den Befehl, augen-
blicklich das Wappenschild von dem Gesandtschafts-Hotel nehmen zu lassen
und dem Cardinal Antonelli zu erklären, daß, da der Papst die Initiative
des Bruches ergriffen, Se. Majeslät jede Verantwortung, welche daraus her-
vorgehen könnte, von sich ablehne.“
26. Jan. (Finnland). Eröffnung des Landtags. Thronrede im Namen
des Kaisers (in russischer Sprache, während von den Abgeordneten
französisch, schwedisch und finnisch gesprochen wird). Vorlage einer
neuen Landtagsordnung, wornach der Landtag in Zukunft regelmäßig
alle vier Jahre zusammentreten soll.
„" „ Conflict der Regierung mit dem Gouvernementslandtag von St.
Petersburg: Die Regierung erklärt die Beschlüsse des Landtags für
null und nichtig, setzt den Präsidenten Graf Orlow-Dawidow sowie
den Ausschuß ab und schickt den Landtag nach Hause.
Der Landtag hatte beschlossen, für dießmal das Decret vom 21. Nov.
1866, welches das Steuervotirungsrecht der Landtage ansehnlich beschränkt
hatte, nicht zu befolgen, angeblich weil bereits vor dessen Erscheinen die