Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

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lägen einer Revision unter Zuziehung fremder Rechtsgelehrter und müßten 
in türkischer, griechischer, slavischer und armenischer Sprache bekannt gemacht 
werden. 
„IV. Militärorganisation. Die christlichen und israelitischen Unter- 
thanen des Sultans müssen vom Militärdienst (servitude militalre) mittelst 
einer Loskaufssteuer besreit werden, deren Betrag in billigem Maße festzu- 
setzen wäre und nur die dienstfähigen Männer von 18 bis 35 Jahren treffen 
würde. Diese Steuer würde von den Gemeindevorständen angelegt und ein- 
getrieben. Diejenigen Christen und Israeliten übrigens, die in die Armee 
einzutreten wünschen sollten, würden in dieselbe ganz ebenso wie die Musel- 
männer aufgenommen und wären dann von der Loskaufssteuer frei. Alle 
Unterthanen des Sultans ohne Unterschied des Cultus oder der Nationalität 
hätten in den Reihen der Localmiliz zu dienen, um zur Aufrechthaltung der 
öffentlichen Ordnung mitzuwirken. Diese Miliz hätte die Polizei auszuüben 
unter Leitung der Gemeindevorstände und dem Commando des Provinz- 
gonverneurs. In keinem Fall könnte diese Miliz gehalten werden, die 
Grenzen ihrer resp. Bezirke zu überschreiten. 
„V. Finanzen. Die Gesammtheit der Steuern und Abgaben jeder 
Provinz wird alle 3 Jahre en bloc von der Pforte festgesetzt, indem sie zu 
diesem Ende hin Delegirte der Provinzialräthe mit berathender Stimme ein- 
beruft. Die Delegirten können sich zu Dollmetschern der Begehren und Vor- 
stellungen der Provinzen, deren Bevollmächtigte sie sind, machen. Indem die 
Pforte die Höhe der Steuersumme jeder Provinz festsetzt, hätte sie die Größe 
der Bevölkerung und deren agricole, industrielle und commercielle Ressourcen 
in Rechnung zu ziehen. Diese Steuersumme wird dann von den Provinzial-, 
Bezirks= und Gemeinderäthen vertheilt und eingezogen. Jede Gemeinde ist 
für die richtige Bezahlung des auf sie fallenden Antheils daran verantwortlich. 
Die geistlichen Abgaben werden von den Provinzialräthen festgestellt, von den 
Gemeinden umgelegt und beigetrieben und diese haften hiefür gegenüber den 
Religionsvorständen. Alle andern Abgaben.,, welcher Art sie immer sein 
mögen, werden abgeschafft, mit Ausnahme der Zölle nach dem Zolltarif des 
Reiches. Dieselben werden an den Grenzen von den Zollbehörden erhoben 
und diese hängen lediglich vom Fiscus ab. 
„VI. Oeffen tliches Unterrichtswesen. In allen überwiegend 
christlichen oder israelitischen Gemeinden des Reichs ist die Freiheit des Unter- 
richts lediglich durch die von der öffentlichen Moral gebotenen gesetzlichen 
Einschränkungen begrenzt. Die Gründung, Unterhaltung und Leitung von 
Volks= und Mittelschulen steht den Gemeinde= und Bezirksräthen zu. Die 
höheren und Specialschulen, die der Staat unterhält, wären den Christen 
ebenso zugänglich wie den Muselmannen und Ifraeliten. Indeß können 
auch die Provinzialräthe auf ihre Kosten Schulen dieser Kategorie gründen, 
die dann ausschließlich für die in der Provinz oder im Bezirk überwiegende 
Nationalität bestimmt wären. Kein Hemmniß darf dem freien Besuch von 
Schulen und Universitäten des Auslandes denjenigen entgegengesetzt werden, 
die sich dem Schulsach widmen wollen und solche Personen sollen bei ihrer 
Rückkehr ungehindert das Professorat in den Gemeinden oder Bezirken ihrer 
Provinz ausüben können. 
„VII. Allgemeine Dispositionen. Alle Unterthanen des Sultans 
ohne Unterschied des Cultus, Standes oder der Nationalität sollen vor dem 
Gesetze gleich sein und zu allen öffentlichen Functionen Zutritt haben. Die 
Fremden, die sich in der Türkei aufhalten, werden noch eine Zeitlang der 
Exterritorialität genießen, d. h. so lange, bis die neuen Institutionen Wurzel 
gesaßt und in die Sitten und Gewohnheiten des Landes übergegangen sein 
werden. Nach Ablauf dieser Frist und nachdem eine europäische Commission 
alb hoc die gewonnenen Resultate constatirt haben wird, mögen die fremden 
Mächte auf diese Vorrechte zu Gunsten ihrer Nationalen kraft der Capitula-
	        
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