Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

448 Gritchenland. 
gesaßt, an dessen Spitze Vulgaris selber zu treten gedachte. Das neue 
Minislerium einigte sich dagegen alsbald darüber, daß die Regentschaft nicht 
einem Einheimischen, sondern weit besser einem Fremden übertragen werde, 
der allen Parteien und deren politischen Combinationen fern stehe, wosür sich 
der Oheim des Königs, Prinz Johann von Glücksburg zu eignen scheine. 
Derselbe muß indeß vorher von der Kammer nationalisirt werden, weil dieß 
die Versassung verlangt und hat nach dem angenommenen Gesetz den dort 
vorgeschriebenen Eid in der Kammer und im Beisein des Königs abzulegen. 
Für seine Dienstleistung hat der Prinz keine Entschädigung weder jeßt noch 
in Zufunst in Anspruch zu nehmen. 
12. Jan. Die Kammer bewilligt einen Credit von 200,000 Drachmen 
für außerordentliche Missionen an die Höfe der Großmächte und 
nach Washington und 1 Mill. Drachmen für die Anschaffung neuer 
Gewehre. 
20.—21. Jan. Ein türkischer, ein ägyptischer und ein sranzösischer Dampser 
wollen im Piräus 480 aus Creta zurückkehrende Freiwillige landen. 
Die Bevölkerung läßt es nicht zu, zwei von jenen werden getödtet 
und den übrigen vorerst eine wüste Insel bei Salamis zur Aus- 
schiffung angewiesen. 
29. Jan. Kammer: Der Kriegsminister Botzaris legt einen Gesetzesent- 
wurf vor für Vermehrung der Armee und Deckung der dadurch 
erwachsenden Mehrkosten durch neue Steuern. Die Kammer nimmt 
den Antrag mit großem Enthusiasmus auf. 
Der Minister theilt die Streitmacht der Landarmee in eine reguläre und 
irreguläre, und entwickelt die Gründe für jede derselben. Er erklärt es als 
Pflicht die öffentliche Ordnung im Innern herzustellen, wo es der geeigneten 
Militärmacht bedürse, durch die allein dieses Ziel erreicht werden könne; aber 
außer dieser Pflicht liege noch ob, daß Griechenland fähig sei den Frieden zu 
erhalten, für den es aufrichtig wirke, aber dafür doch, wenngleich die Regie- 
rung die Neutralität streng beobachte, während des Aufstands in Creta ven 
einer benachbarten Macht mißverstanden werde und ihre Versicherungen in 
Zweifel gezogen sehe. „Die Regierung in Kenntniß aller der Mißhandlungen 
der unter der Knechtschaft lebenden Christen, beobachtet mit Bedauern, daß 
die hohe Pforte weit entsernt die Ursachen dieser Uebelstände abzustellen, dar- 
auf denkt noch andere Zwangsmaßregeln einzuführen. Wenn den Neten 
Glauben zu schenken ist, die in den verschiedenen Blättern veröffentlicht wer- 
den, so bedroht die Psorte Griechenland mit Gefahr (türk. Nole vom 26. 
Dec. s. Gesch.-Kal. f. 1866). In diesem Fall müssen wir von jetzt an ent- 
gegentreten, um jeden feindlichen Angriff auf seine Grenzen zurückzuweisen, 
damit nicht der Friede gestört werde, der nur auf zweierlei Weise gewahrt 
wird — durch die Erniedrigung und durch die Rüstung. Ich frage demnach 
die Kammer, welche Lösung sie vorzieht?"“ Wie aus einem Mund unter te- 
täubendem Jubel, antwortet die Kammer „Bewaffnung!“ — Durch den 
neuen Entwurf ist die Stärke der Landarmee für das Jahr 1867 auf 31.300 
Mann festgesetzt und wird eingetheilt in reguläre und irreguläre. Die re- 
guläre Truppe soll aus 14,300 Mann bestehen, von denen 2000 Freiwillige 
nicht mehr dem Rekrutirungsgesetz unterworfen sein sollen. Die irreguläre 
Truppe wird aus 17,000 Mann bestehen, nämlich aus Rekruten zur Heeres- 
ergänzung in der Zahl von 2000 Mann, aus der Reserve, aus Freiwilligen 
und, wenn nothwendig, aus ausgedienten Soldaten. Die Rekrutirung sür 
das Jahr 1867 hat demnach 4500 Mann zu liefern, nämlich 2500 Mann
	        
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