VUebersicht der Ereignise des Jahres 1867. 485
wendig zweifelhaft sein mußten, ob sich Frankreich in die vollendete Franl-
Thatsache zu schicken entschlossen oder es nur darauf bedacht sei, die reich
Gelegenheit und die Mittel zu schaffen, um dieselbe wieder in Frage
zu stellen. Die Symptome widersprachen sich, deuteten die einen un-
läugbar auf friedliche und freundliche Gesinnungen, so sprachen da-
gegen andere nicht minder entschieden für kriegerische Absichten, die
im Hintergrund zu lauern schienen, und indem die einen und die
andern mit einer gewissen Regelmäßigkeit abwechselten, erzeugten sie
eine Unsicherheit gleichmäßig in Frankreich und in Deutschland, die
beide fortwährend in peinlicher Spannung erbielt. Daß die Gefahr
eine drohende war, daß es vielleicht nur eines einzigen falschen oder
voreiligen Schrittes von Seite Preußens, nur eines leisen Druckes
von Seite des Kaisers bedurfte, um sie plötzlich zum Ausbruche zu
bringen, ließ sich unmöglich verkennen. Einige Beruhigung mochte
indeß daraus geschöpft werden, daß wenn Frankreich unmittelbar nach
der Schlacht von Sadowa nicht hinreichend gerüstet zu sein glaubte,
um sofort zum Kriege mit Preußen zu schreiten, dieß immerhin auch
jetzt noch der Fall war.
Es ist doch merkwürdig, wie in unserer Zeit vollster Oeffent-
lichkeit, wo keine Erfindung von praktischer Wichtigkeit lange ver-
borgen bleiben kann und wo alle großen Staaten an sämmtlichen
Höfen der übrigen Großmächte nicht bloß diplomatische Gesandte,
sondern noch besondere Militärbevollmächtigte halten, um sich fort-
während von allem, was speziell in dieser Richtung geschieht, zu
unterrichten, alle Welt von der Masse der Truppen, die Preußen
gegen Oesterreich ins Feld stellen konnte, und von den Erfolgen des
preußischen Zündnadelgewehrs so überrascht werden konnte. Seit
mehr als fünfzig Jahren war die allgemeine Wehrpflicht in Preußen
in Geltung — kein anderer Staat Europas dachte auch nur daran, sie
oder doch irgend etwas ihr ähnliches bei sich einzuführen. Vor mehr
als zwanzig Jahren war das Zündnadelgewehr von Dreyse erfunden
und von Preußen für sein Heer adoptirt worden; und unablässig
war dieses seither bemüht gewesen, es zu verbessern, seine Truppen
darauf einzuüben und ihre tactischen Bewegungen darnach zu modi-
fiziren; in Schleswig-Holstein hatten die Preußen es sogar zu krie-
gerischer Amvendung gebracht, im amerikanischen Bürgerkriege war
dasselbe mit verschiedenen Formen von Hinterladern der Fall gewesen