Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Utbersicht der Ercignisse des Jahres 1867. 487 
Geradezu beabsichtigt wurde dagegen der Krieg und zu demselben Sean 
mit Bewußtsein gehetzt von einem Tbeile der alten Parteien, die wens= 
nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten, so wie von dem- 
jenigen Theile der bonapartistischen Partei, der den wachsenden Schwie- 
rigkeiten im Innern gegenüber kein anderes Mittel mehr sah, we- 
nigstens kein wirksameres als einen Krieg mit Preußen. 
Diese Schwierigkeiten aber wuchsen, je schwerer die Schläge 
des Schicksals auf den kriegerischen Glanz des französischen Namens 
fielen und je mehr sich die Nation in der hervorragenden Stellung 
bedroht fühlte, die sie unter dem zweiten Napoleon in Europa wie- 
derum eingenommen hatte. Zu dem ersten Schlage, den sie im Merico. 
J. 1866 durch das gewaltige Auftreten der preußisch-deutschen Macht 
erlitt, gesellte sich bald ein zweiter, noch empfindlicherer, das Zurück- 
weichen der französischen Waffen vor dem drohenden Stirnrunzeln 
der großen Republik jenseits des Oceans und das Zusammenbrechen 
der ganzen Expedition nach Mexico. Wie Napolcon es unterlassen 
hatte, in den deutschen Dingen zu rechter Zeit sein Schwert in die 
Wagschale fallen zu lassen, in der irrigen Ueberzeugung, daß es später 
dazu noch immer früh genug sei und daß die Deutschen inzwischen 
selber die Arbeit für Frankreich besorgen würden, so hatte er sich 
auch nicht dazu entschließen können, dem Bunde der nordamerikani- 
schen Südstaaten offen seine Hand zu reichen und selbst einen Krieg 
mit den Nordstaaten nicht zu fürchten, um jenen zur Unabhängigkeit 
zu helfen und sie zwischen seine mexicanische Schöpfung und die 
demokratische Republik im Norden hineinzuschieben, in der gleichfalls 
irrigen Ueberzeugung, daß sie selber stark genug seien, sich des Nor- 
dens zu erwehren und daß jedenfalls beide so geschwächt aus dem 
Kriege hervorgehen würden, daß eine Gefahr von dieser Seite we- 
nigstens zunächst kaum zu besorgen stünde. Als im April des J. 
1865 die Heere des Nordens siegreich in Richmond einzogen, stand 
das mexicanische Kaiserreich in der Luft und erkannte wohl der 
Kaiser der Franzosen den schweren Fehlgriff, den er begangen; und 
als es sich bald darauf herausstellte, daß eine Verständigung mit 
der Union geradezu ein Ding der Unmöglichkeit und daß diese unter 
keinen Bedingungen geneigt sei, eine europäisch-monarchische Schöpfung 
auf dem Continente, den sie für sich in Anspruch zu nehmen ge- 
wohnt war, zu dulden, ließ er in seinem Geiste den Kaiserthron in
	        
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