Uebersicht der Ertlgnisse des Jahrts 1867. 503
Angelegenheiten in einem Momente gestellt, wo Oesterreich aus tau- —
send Wunden blutete und seine ganze bisherige europäische Stellung
durch den Verlust Italiens und Deutschlands aufs tiefste erschüttert
war, erkannte er sofort, daß ein Ausgleich mit Ungarn jetzt zu einer
absoluten Nothwendigkeit geworden war und zwar ein Ausgleich nicht
mit einer Adelsfraction, die wohl am Hofe von Einfluß war, im
Lande selbst -aber denselben längst verloren hatte; sondern mit der-
jenigen Partei, die die wirkliche Macht in Händen hatte und eben
so erkannte er sofort, daß ein Ausgleich mit Ungarn auch für
die diesseitige Reichshälfte von den weitreichendsten Consequenzen sein
müsse und daß eine Begünstigung der historisch-politischen Individua-
litäten, des Feudaladels und der slavischen Elemente geradezu un-
möglich sein würde. Der Rücksicht auf die Großmachtsstellung des
Reichs waren bisher die berechtigsten Forderungen der Zeit, Gut
und Blut der österreichischen Völker rücksichtslos geopfert worden —
diesmal wurde demselben Interesse der alte und gänzlich veraltete
Plunder, die ganze Masse jener „ererbten Uebelstände", die man
längst erkannt und mit denen man aufzuräumen versucht hatte, aber
ohne durchzugreifen, weil man allzu tief hätte schneiden müssen, ge-
opfert und sammt und sonders über Bord geworfen. Graf Belcredi
selbst erkannte, daß mit ihm und seiner Partei ein wirklicher Aus-
gleich mit Ungarn nicht möglich sei und bot am 1. Febr. seine Ent-
lassung an. Am 7. Febr. entließ ihn der Kaiser, stellte den Frhrn.
v. Beust an die Spitze der Regierung, ließ den außerordentlichen
Reichsrath fallen, um an seine Stelle den ordentlichen zu setzen, der
dem deutschen Elemente das Uebergewicht sicherte, und schloß schon
am folgenden Tage mit Deak, der zu diesem Behufe nach Wien be-
rufen worden war, persönlich den Ausgleich mit Ungarn definitiv ab.
Seit dem J. 1861, seit die Ungarn der Februarverfassung
ihre Anerkennung versagt und den Eintritt in den Reichsrath ver-
weigert hatten und seit der bekannte Ausspruch des Hrn. v. Schmer-
ling „wir können warten“ sich dem wirklich großartigen pas-
siven Widerstande der Ungarn gegenüber als ein Irrthum er-
wiesen hatte und fallen gelassen worden, war man sich allmälig über
die Grundlagen und Bedingungen eines Ausgleichs zwischen der Re-
gierung des Kaisers und dem ungarischen Landtage doch näher ge-
kommen, wenn auch jeder Theil auf seinem „Schein“ beharrte und