Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Utbersicht der Ertignisse des Jahres 1867. 519 
Schuld muß gesühnt werden. Der erste Schritt dazu ist bereits ge-Enaland. 
schehn, obgleich es ein Schritt ist, der nicht nur ein großes Unrecht 
an Irland wieder gut machen soll, sondern mit schweren Consequenzen 
auf England selber zurückfallen wird. Auf Gladstones Antrag hat 
das Unterhaus bereits in wiederholter Abstimmung mit entschiedener 
Majorität die Abschaffung der irischen Staatskirche im Princip aus- 
gesprochen. Hier glauben sich die Tories auf keinen Compromiß ein- 
lassen zu können; die Regierung Disraeli und seine Partei wehren 
sich dagegen fast wie ein Mann mit Hand und Fuß und können 
sich dabei allerdings, wofern nicht alles trügt, auf die zähe Unter- 
stützung des Oberhauses verlassen. Bis die große Maßregel durch- 
geführt sein wird, dürften daher immer noch einige Jahre verfließen, 
aber sie wird, das ist schon heute klar, durchgeführt werden und 
darüber wird, wenn nicht früher, das Toryregiment, so fest sich 
auch die Partei an das Ruder klammert und so gewandt ihr gegen- 
wärtiges Haupt und ihr parlamentarischer Führer immer ist, stürzen, 
ja es ist ganz und gar nicht unmöglich, daß das Oberhaus wenig- 
stens in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung in diesen Sturz ver- 
wickelt werde. Wie die weitere Frage des irischen Kirchenguts dann- 
zumal gelöst werden wird, mag zweifehaft sein und wird noch viele 
Debatten in und außer dem Parlament hervorrufen; aber die sorg- 
fältigste Erwägung der Sachlage dürfte schon jetzt zu der Ueber- 
zeugung führen, daß es zum mindesten nicht wahrscheinlich ist, es 
werde dasselbe ganz oder doch zum größeren Theil der katholischen 
Kirche überantwortet werden. Wahrscheinlicher ists, daß man es für 
andere irische Zwecke mannigfaltiger und dringender Art verwendet, 
zumal es ja auch nur allmälig frei werden wird und daß man es 
den Anhängern der Hochkirche in Irland wie den schottischen Pres- 
byterianern und den verschiedenen Dissentergemeinden dort überläßt, 
für ihre kirchlichen Bedürfnisse zu sorgen, wie sie wollen und mögen, 
wie ja schon längst die irischen Katholiken, d. h. der weitaus größte 
Theil der Bevölkerung Irlands dafür sorgen mußte und auch gesorgt 
hat. Damit aber wäre die völlige Trennung von Kirche und Staat 
zunächst für Irland ausgesprochen, ein Princip, dem unzweifelhaft 
binnen wenigen Jahrzehnten auch die englische Hochkirche, die schon 
jetzt nicht mehr die Majorität der Bevölkerung Englands umfaßt, 
zum Opfer fallen müßte, ein zweites großes Princip, dessen Folgen
	        
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