Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1367. 533 
Mitleid nicht versagen. Unzweifelhaft war er von den besten und #Moico. 
reinsten Absichten geleitet worden, als er der Sirenenstimme Frank- 
reichs folgte und sich an die Spitze eines Unternehmens stellte, dem er nicht 
gewachsen, dem selbst der mächtige Herrscher, der ihn dahin gelockt, 
nicht gewachsen war. Er büßte seine Kühnheit mit männlichem 
Muthe. Sein letztes Wort galt der unglücklichen Kaiserin, die ihre 
Theilnahme an demselben Unternehmen fern von ihm im heimath- 
lichen Miramare umdüsterten Geistes noch schwerer büßte. Die 
Nachricht erregte in Europa die allgemeinste Theilnahme. Die Ge- 
schichte kennt in der That kaum ein entsetzlicheres politisches Trauer= 
spiel. Der Kaiser der Franzosen fühlte die ganze Schwere des un- 
seligen Ereignisses. Der Kaiser von Oesterreich aber, den die Nach- 
richt in München traf, kehrte augenblicklich nach Wien zurück und 
sein Besuch mit der Kaiserin in Paris, der schon verabredet war 
und an den der Kaiser der Franzosen weitreichende politische Com- 
binationen geknüpft hatte, unterblieb nunmehr. . 
Wennmanauchannehmenwill,daßNapoleonnichtbaranOMM 
denkt, Preußen seine Errungenschaften von 1866, sowohl die An- reich. 
nexionen als die Stellung an der Spitze des norddeutschen Bundes, 
wieder streitig machen zu wollen, so ist doch so viel außer allem 
Zweifel, daß er es für eine der ersten, ja für die erste Aufgabe 
der kaiserlichen Politik erachtet, das weitere Fortschreiten der preußisch- 
deutschen Macht und die Vollendung derselben zu dinem ganz 
Deutschland umfassenden Nationalstaate zum allermindesten so lange 
als nur immer möglich zu verzögern, vielleicht und unter Umständen 
überhaupt, selbst mit den Waffen in der Hand zu verhindern. 
Für die eine wie für die andere Aufgabe aber schien ihm die Mit- 
wirkung Oesterreichs unerläßlich zu sein. Die Interessen Oesterreichs 
und Frankreichs schienen in dieser Beziehung völlig zusammenzufallen. 
Auch Oesterreich hatte nicht bloß sormell im Prager Frieden auf 
seine frühere Stellung in Deutschland förmlich verzichtet und sowohl 
in die preußischen Annexionen als in die Gründung des nord- 
deutschen Bundes ausdrücklich eingewilligt, sondern auch Oesterreich 
dachte offenbar nicht daran, auf diese Fragen wieder zurückzukommen 
und die Errungenschaften Preußens so weit wieder in Frage stellen 
zu wollen. Etwas ganz anderes war dagegen die Stellung Preußens 
zu den süddeutschen Staaten. In Folge der Vermittlung Frankreichs
	        
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