Uchersicht der Ertignisse des Zahtts 1867. 537
wozu sich Oesterreich entschließen werde: wenn es dem Gedankenpresßen
einer Wiedervergeltung gegen Preußen in seinem Innern Naum' her-
gab, so schien der Moment heranzurücken, wo es ihn befrie-
digen konnte. In welcher Stellung waren aber dann die zwischen
Frankreich und Oesterreich eingeklemmten südd. Staaten? Die
Schutz= und Trutzbündnisse schienen ihnen keine genügende Sicher-
heit zu bieten nicht einmal gegenüber Frankreich, geschweige denn
gegenüber Frankreich und Oesterreich, und sie boten sie auch in der
That nicht. Wenn der Krieg losbrach, so war es nach der ganzen
Lage der Lage der Dinge wahrscheinlich, ja fast gewiß, daß Preußen
alle seine und des nordd. Bundes Streitkräfte zusammenfassen würde,
um einen gewaltigen Stoß gegen Paris zu wagen, der die Frage
rasch entschieden hätte. Seine eigenen Nord= und Ostsceküsten und
all die reichen Handelsstädte an denselben hätte es, Frankreich zur
Sce noch lange nicht gewachsen, der feindlichen Flotte preisgeben
müssen. Aber nicht ebenso auch die gesegneten süddeutschen Fluren
und die süddeutschen Residenzen dem Einbruch einer französischen Ar-
mee vom Oberrhein her, der Süddeutschland mit seinen eigenen
Streitkräften vielleicht nicht gewachsen gewesen wäre? Die Schutz-
und Trutzbündnisse erschienen auf einmal als das, was sie wirklich
werth waren — eine Nothbrücke über den Main, hinüber und her-
über, mehr nicht. Die süddeutschen Regierungen waren durch die-
selben nicht unbedingt gebunden, die Frage, ob ihnen die Entschei-
dung über den Eintritt des casus foederis geblieben sei, war eine
streitige und war in Süddeutschland gestellt und erörtert worden;
aber ebenso war auch Preußen nicht unbedingt gebunden und mochte
Anstand nehmen, seine Kräfte, die es auf den Hauptpunkt zu con-
centriren gedachte, zu schwächen, um einen vielleicht zweifelhaften
Allirten zu schützen. Rechte und Pflichten entsprechen sich: je ge-
ringer die Pflicht ist, die man über sich nimmt, desto geringer sind
auch die Rechte, die man in Anspruch nehmen kann. Das erwogen
und fühlten jetzt die süddeutschen Regierungen: aber sie hatten eben
im August 1866 und seither Preußen nicht mehr Rechte angeboten,
Preußen war nicht in der Lage gewesen, mehr Pflichten auf sich zu
nehmen. Und war die Lage schon gefährlich, wenn Oesterreich neu-
tral blieb, so war sie natürlich noch ungleich gefährlicher, wenn
Oesterreich mit Frankreich von Anfang an oder im weitern Verlauf