538
Utbersicht der Ertignisse des Jahrts 1867.
Preußen — wer mochte es wissen? — gemeinsame Sache machen sollte. War
u. Oester-
rrich.
nicht mit Rücksicht auf diesen immerhin möglichen Fall die Beobach-
tung strenger Neutralität weit vortheilhafter, ja sogar geboten? Aber
die Schutz= und Trutzbündnisse mit Preußen? Es ist sich in der
That nicht zu verwundern, daß die südd. Regierungen, diejenige
Bayerns zumal plötzlich eine gewaltige Angst überkam; sie war voll-
kommen berechtigt. Bayern mußte wünschen, über die Absichten und
Entschlüsse Preußens, über die Absichten und Entschlüsse Oesterreichs
ins Klare zu kommen, und ein Mittel zu finden, um der Gefahr, von
beiden Seiten gefaßt zu werden, wo immer möglich zu entgehen.
Gewisse Thatsachen sprechen dafür, daß Vayern vielleicht noch nicht ge-
radezu entschlossen aber doch sehr geneigt war, sich schlimmsten Falls in
Gottes Namen für die Neutralität zu erklären und das Schutz= und
Trutzbündniß dahin gestellt sein zu lassen. Graf Tauffkirchen wurde
am 12. April mit einer Specialmission nach Berlin geschickt und ging
darauf mit den vermuthlich gewünschten, jedenfalls erwünschten Auf-
trägen Bismarcks versehen nach Wien. Diese Aufträge bestanden in
dem Anerbieten oder richtiger der Forderung einer Allianz zwischen
Oesterreich und Preußen, resp. zwischen jenem und sämmtlichen deut-
schen Staaten, wogegen Preußen sich bereit erklärte, Oesterreich seine
deutschen Besitzungen dauernd, seine außerdeutschen wenigstens tem-
porär zu garantiren, mit dem Beifügen, daß Rußland der Dritte
im Bunde wäre. Man muß gestehen, daß diese Vorschläge für
Oesterreich durchaus unannehmbar waren. Oesterreich lehnte sie
denn auch ohne Bedenken ab. Die Depesche, die Frhr. v. Beust
darüber unter dem 19. April an seinen Vertreter in Berlin richtete
(s. S. 259) und in der er die Gründe- dafür ebenso offen, als
klar und bestimmt auseinandersetzte, ist in ihrer Art geradezu ein
Meisterstück. Die Frage ist offenbar noch nicht reif. So viel kann
jedoch schon jetzt mit Bestimmtheit behauptet werden, daß Preußen,
wenn es dereinst wirklich eine Allianz, und zwar nicht bloß eine
augenblickliche, wie damals, sondern eine dauernde mit Oesterreich
wünschen wird — und es muß sie schließlich wünschen, weil davon
die schließliche Lösung der südd. Frage in seinem Sinne und im
nationalen Interesse abhbängt — Oesterreich ganz andere Bedingun-
gen wird anbieten müssen, Bedingungen, die ganz ebenso und gleich-
gewogen den Interessen Oesterreichs wie denen Preußens entsprechen
und daß dannzumal Rußland jedenfalls nicht der Dritte im Bunde