Uebersicht der Ereignisse des Zahres 1867. 543
nicht auf dem Verkauf sämmtlicher Güter beharrte. Die Vorlage Jolien.
fand begreiflicher Weise so wenig den Beifall des Parlamentes als
die Ricasoli1s und schon Anfangs Juni verwarfen ihn sämmtliche
Bureaus der zweiten Kammer gleichfalls. Aber Rattazzi trat darum
nicht so wie Ricasoli zurück, sondern erklärte der Kammer, daß er
bereit sei, sich auf Modificationen einzulassen. Rattazzi fühlte über-
haupt Neigung und Bedürfniß, sich wenigstens theilweise auf die
Linke zu stützen und diese erhielt dadurch gewonnenes Spiel. Die
Commission der Kammer arbeitete nun einen ganz neuen sehr radi-
calen Entwurf für die Liquidation der Kirchengüter aus: die Vor-
wegnahme der 600 Mill. wurde auch in diesen Entwurf aufgenom-=
men, die Güter sollten aber sammt und sonders verkauft, die todte
Hand damit völlig beseitigt und der Ertrag der Güter vom Staate
verwaltet, die gesammte Geistlichkeit auf feste, indeß anständige Be-
soldungen gesetzt werden. Das Beste war, daß die Commission be-
schloß, die Regierung gleichzeitig einzuladen, noch vor dem Verkauf
der Kirchengüter dem Parlament eine neue Steuer, die wenigstens
80 Mill. eintrüge, vorzuschlagen und die Kammer aufzufordern, diese
Steuer zu bewilligen. In dieser Form wurde das Gesetz denn auch
noch vor Ende Juli von der zweiten Kammer mit 204 gegen 58 Stim-
men angenommen und im August auch vom Senat mit 84 gegen
29 Stimmen, worauf sich das Parlament bis zum Dec. vertagte.
Das Schwergewicht des Interesses lag in diesem Momente
bereits nicht mehr in den Verhandlungen und Beschlüssen des Par-
laments, sondern außerhalb desselben an der römischen Grenze, wo
Garibaldi bereits alles zu einem nenen gewaltsamen Unternehmen
gegen Rom und gegen die weltliche Herrschaft eingeleitet hatte. Die
ersten Anfänge des Unternehmens reichen noch ins J. 1866 zurück,
wo, unmittelbar nach dem Abzug der Franzosen aus Rom Abge-
sandte des unzufriedensten Theils der Römer bei Garibaldi auf Ca-
prera erschienen und ihn zu einem Zuge gegen Rom aufforderten,
indem sie ihm goldene Berge von Seite der Römer selbst versprachen.
Garibaldi ging darauf ein und begann zunächst im Anfange d. J.
1867 Rundreisen zuerst im Venetianischen dann in Piemont, wo-
bei er das Volk in der heftigsten und leidenschaftlichsten Weise gegen
Rom und die Priester aufhetzte. Zu Anfangs Sommers verfügte er
sich in ein Heilbad bei Siena und begann von da an, gegen Rom