Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Vebersicht der Ereignisse des Jahrts 1867. 547 
die sich aber das Regiment auch mit Zuversicht stützen kann. Es Juaallen. 
möchte fraglich sein, ob dieß überall wünschbar, noch mehr, ob es 
auch anderwärts möglich sei. Vielleicht entspricht es ausschließlich 
einer so großartigen, bis auf die jüngste Zeit durch einen festen Kitt 
vielfältig und mannigfaltig zusammenhängenden Aristokratie, wie sie 
uns England zur Erscheinung gebracht hat. In Italien finden wir 
nichts der Art. Alles ist erst im Werden: was in England bloße 
Fractionen oder Nüancen sind, das sind in Italien Parteien, die 
sich einander bald nähern, bald wieder von einander entfernen, sich 
verschmelzen und wieder trennen, mit einem Wort erst nach Ge- 
staltung ringen. Aus dieser wechselnden und schwankenden Unterlage 
geht nun das Ministerium hervor, schwankend und wankend wie diese, 
keinen Augenblick der Majorität sicher und immer bemüht, sich eine 
solche zu schaffen, ohne je damit in sicherer Weise zu Stande zu 
kommen. Die Folge davon ist eine schwache Regierung, aber zugleich 
auch ein schwaches Parlament. Das eine bedingt das andere mit 
unausweichlicher Nothwendigkeit. 
Nicasoli war eben darum im Frühjahr 1867 zurückgetreten, 
nicht weil er eine Majorität gegen sich, sondern weil er trotz der 
Neuwahlen keine solche für sich zu Stande gebracht hatte. Rattazzi, 
der ihm folgte, war in nicht besserer Lage, nur daß er, im Gegen- 
satz gegen seinen Vorgänger, es von jeher mit Grundsätzen nicht so 
genau genommen hat. Um sich zu halten, machte er den verschiedenen 
Parteien und Parteiführern Concessionen und schuf sich so zwar 
nicht eine Majorität, aber doch augenblickliche Majoritäten. Die na- 
türliche Folge war, daß er selber jeden festen Standpunkt einbüßie, 
wofern er überhaupt jemals einen solchen hatte, bloß noch mit Aus- 
kunftsmitteln regierte und ein Spielball des Zufalls und unberechen- 
barer Strömungen wurde, in einem Augenblicke, da eine der größten 
und schwierigsten Fragen unserer Zeit ohne Rücksicht auf ihn und 
seine Stellung nach außen wie nach innen gewaltsam zur Lösung ge- 
bracht werden wollte. Sobald die öffentliche Meinung Italiens durch 
die Verhaftung Garibaldis aus ihrer bisherigen Ungläubigkeit und 
Gleichgültigkeit aufgeschreckt worden war und die Frage, ob ein der- 
artiges Unternehmen z. Z. überhaupt möglich sei, in Ueberlegung zu 
ziehen anfing, mußte sie sich auch sagen, daß, da die Vorbereitungen 
mun einmal getroffen, Garibaldi gewonnen und die Römer, wie sie 
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