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Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867.
Oestere der ersten Hälfte des Jahres war der Ausgleich mit Ungarn von
reich.
der Regierung vereinbart und sogleich thatsächlich ins Werk gesetzt
worden, so daß die Krönung des Kaisers in Pest am 8. Juni vor-
genommen werden konnte, der Reichsrath aber, als er endlich zu-
sammentrat, eine vollendete Thatsache vorfand. Er fügte sich in die-
selbe und nahm sie als solche hin, legte aber schon in der Adreß-
debatte den festen Entschluß an den Tag, auch für die deutsch= sla-
vischen Provinzen eine vollständig neue Ordnung der Dinge zu gründen,
sich mit nicht weniger als mit einer „Freiheit wie in Ungarn“ zu
begnügen und das Princip bis in die letzten Consequenzen zu verfolgen,
bis zur Beseitigung des Concordats, dem eigentlichen Bollwerk der
alten Ordnung der Dinge. Indeß ging er nur Schritt für Schritt
vorwärts, arbeitete aber doch schnell. Die Regierung bot bereitwillig
die Hand. Zunächst wurde der Art. 13 der Verfassung, der sog.
Octroyirungsartikel, abgeändert und seines bedenklichen Charakters
entkleidet, dann ein höchst liberales Ministerverantwortlichkeitsgesetz
vereinbart. Die in alter Art ohne Bewilligung des Reichsraths be-
gonnene Befestigung Wiens wurde constitutionell von der Regierung
fallen gelassen und das ebenso einseitig erlassene Wehrgesetz eben-
falls constitutionell zur Beschlußfassung vorgelegt. Mit Hilfe beson-
derer Deputationen des Reichsraths und des ungarischen Landtags
wurde auch der finanzielle Ausgleich zwischen beiden Reichshälften,
freilich nicht ohne Beeinträchtigung der deutsch-slavischen Provinzen,
zu Stande gebracht. Dann ging es an eine gründliche Umgestaltung
der Februarverfassung. Statt jenes dürftigen Operats, das dem
Reichsrathe nicht einmal das Recht gewährte, seine Geschäftsordnung
festzustellen und seinen Präsidenten zu wählen, wurde nun in einer
Reihe von Staatsgrundgesetzen dem Volke und seinen Vertretungskörpern
nach allen Richtungen hin das vollste Ausmaß constitutioneller Rechte
und Freiheiten gewährleistet. Die Gleichheit aller Bürger vor dem
Gesetze; die Zugänglichkeit aller öffentlichen Aemter für diejenigen,
welche sich dazu befähigt gemacht haben; Freizügigkeit der Person
und des Vermögens; Preßfreiheit; Vereins= und Versammlungs-
recht; Schutz des Hausrechts und der persönlichen Freiheit; Schutz
des Briefgeheimnisses; volle Glaubens= und Gewissensfreiheit; Frei-
heit der Wissenschaft; vollste Unabhängigkeit der Richter; Trennung
der Justiz von der Verwaltung; Vereidigung aller Beamten auf die